Hinweis der Angstambulanz am Zürichsee SM Rapperswil - Schwyz - St. Gallen - Zürich zum nachfolgenden Text:
Selten sprechen oder schreiben Ärzte über ihre eigenen psychischen Probleme. Dabei haben auch Ärzte vielerlei Ängste, Phobien und bekommen Panikattacken oder Depressionen. Statistisch erleiden Ärztinnen und Ärzte sogar häufiger Ängste, Depressionen und Suchterkrankungen als der Durchschnitt der Bevölkerung.
Der nachfolgende Therapiebericht von einem Arzt schildert in ungewöhnlich offener und ehrlicher Weise, wie ein deutscher Arzt, den das kranke Gesundheitssystem über zehn Jahre selbst zum Opfer machte, mit seiner Angststörung im Februar 2002 den Weg zur Angstambulanz in Stuttgart fand, die Psychotherapeut seinerzeit dort leitete. Die von dem Arzt in der Angstambulanz bei in Anspruch genommene kognitive Verhaltenstherapie half ihm, "nach acht Therapiestunden" seine Probleme in kürzester Zeit und dauerhaft erfolgreich selbst zu lösen und zu einem "absolut lebenswerten Leben" zu finden.
Der knapp ein Jahr nach seiner Psychotherapie von dem Arzt mit dem Ziel verfasste Text, "möglichst vielen psychisch Leidenden Mut zur (richtigen) Psychotherapie zu machen", wurde mit dem Titel "Protokoll einer Fehldiagnose – ein Arzt erlebt Psychotherapeuten und Psychotherapie" zum Schutz der Persönlichkeit des heute in seiner eigenen Praxis erfolgreich tätigen Facharztes bei der Veröffentlichung in der Zeitschrift "PSYCHOTHERAPIE" am 01.03.2003 mit dem Pseudonym Norbert Nordes gezeichnet.
Psychotherapie, 01.03.2003
Von Norbert Nordes
"Patient Arzt", "der kranke Stand", "perverse
Ärzte - kranke Ärzteschaft" – wenn man den Titeln von Büchern
und Zeitschriftenartikeln glauben darf, sind wir Ärzte ein ziemlich
krankes Volk, zumindest aber sind wir keinesfalls besonders gesunde
Menschen. Und dies gilt in körperlicher wie in psychischer Hinsicht.
Nach vielen Literaturberichten begehen Ärzte häufiger Selbstmord, sind
häufiger alkohol- oder medikamentenabhängig als andere Menschen, und
sie leiden an den gleichen psychischen Erkrankungen und Problemen, deren
Therapie sie in ihrem Studium kennen gelernt haben. Zudem verleugnen
sie besonders gerne ihre eigene Hilfsbedürftigkeit.
Was aber
geschieht, wenn ein Arzt sich dessen wohl bewusst wird und sich als
Patient Hilfe suchend an Psychotherapeuten mit dem Wunsch nach Psychotherapie
wendet? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass realitätsfremde Psychotherapeuten
und keiner wissenschaftlichen Prüfung standhaltende Therapieschulen
ihn selbst zum Opfer machen. Über meine zehnjährige Odyssee von der
Tiefenpsychologie über die Gestalttherapie bis zu dem befreienden Moment,
in dem ich kognitive Verhaltenstherapie erfahren habe, möchte ich im
folgenden berichten.
Mein Schritt zur Gesundheit begann mit dem
Besuch der Seiten der Angstambulanz. Nach der
Lektüre machte mich das Tal der Tränen, durch das ich gehen musste,
bevor ich eine brauchbare Psychotherapie fand, zwar immer noch traurig
und wütend. Als ich jedoch auch das in der Zeitschrift "Verhaltenstherapie &
psychosoziale Praxis" von 1994 rezensierte
Buch
↗
von dem Psychotherapieforscher Klaus Grawe und seinen Kollegen, "Psychotherapie
im Wandel - Von der Konfession zur Profession", gelesen hatte,
wundere mich jedoch in keiner Weise mehr darüber, so lange gebraucht
zu haben, bis ich am Institut für Psychotherapie
Hilfe fand: Ich hatte das ganz normale Unvermögen des deutschen Gesundheitssystems
erfahren.
Im vierten Semester meines Medizinstudiums, 1992, litt
ich kurz vor dem Physikum an extremen Erschöpfungszuständen und depressiver
Verstimmung. Besonders machte mir meine Neigung zu schaffen, mich über
jede kleine Widrigkeit meines Lebens aufzuregen, ob dies ein Verkehrsstau
war, ein verspäteter Bus, eine Schlange vor der Kasse oder ein heruntergefallener
Teller. Kurz: Ich regte mich über alltägliche kleine Ärgernisse so unverhältnismäßig
auf, dass ich mir sagte, "Das kann doch nicht normal sein!"
In diesem Gefühl "ich bin nicht normal" und "so verhält
man sich nicht" fühlte ich mich gefangen und sah keinen Ausweg.
Was macht ein Mensch, der noch halb medizinischer Laie, zum kleinen
Teil aber auch schon vorgebildet ist? Er denkt daran, einen Psychiater
aufzusuchen! Mit dem Hintergedanken, "der wird mir hoffentlich
bestätigen, dass ich doch normal - oder jedenfalls nicht allzu krank
- bin und dass mir geholfen werden kann". Natürlich auch mit der
Angst im Hintergrund "hoffentlich bestehe ich das Physikum!"
Es ist immerhin die erste wichtige Prüfung, ähnlich einem Vordiplom,
die das Grundstudium abschließt.
Gesagt, getan. Ich ging zu einem
Psychiater und schilderte ihm meine Situation. Recht vernünftig - aus
meiner heutigen Sicht - empfahl er eine Verhaltenstherapie und schickte
mich im so genannten "Delegationsverfahren" zu einem Psychologen,
der mit Hypnose und Verhaltenstherapie arbeitete. Dieser begann mit
fünf Hypnosesitzungen, die mir für sich genommen auch gut taten, erklärte
jedoch - ganz klassischer Verhaltenstherapeut - ein therapierbares Problem
bestünde bei mir nicht. Wenn ich mich über eine Schlange an der Kasse
aufrege, so seien dies "Alltagsschwierigkeiten", die man nicht
therapieren könne. Moderne kognitive Verhaltenstherapie hingegen schien
ihm unbekannt zu sein, sonst hätte meine Leidensgeschichte wahrscheinlich
ein Ende gefunden, bevor sie richtig begonnen hatte.
Auf Empfehlung
meines Hausarztes suchte ich dann psychotherapeutische Hilfe bei einer
in seiner Praxis mit praktizierenden Ärztin, die als einzige Qualifikation
die Zusatzbezeichnung "Psychotherapie" führte. Sie arbeitete
nach eigener Aussage tiefenpsychologisch und sah zunächst keine klare
Therapieindikation. Ihr Standardsatz lautete: "Wir müssen gucken!"
Sie empfahl dann schließlich nach mehreren "probatorischen Sitzungen"
eine Kombination aus Gesprächen und dem Katathymen Bilderleben. Nichts
änderte sich an meinen Beschwerden. Nach der achten Sitzung darauf angesprochen,
meinte sie nur: "Es geht Ihnen nicht schnell genug!" Auf meine
Fragen, was ich denn tun könne, damit es mir besser gehe, erwiderte
sie nur: "Es geht nicht darum, dass ich Ihnen sage, was Sie tun
sollen, sondern, dass Sie spüren lernen: Was ist bei mir los?“
Stets kam es ihr besonders darauf an, zu "gucken, wie es Ihnen
dabei geht" - ihr wichtigster und häufigster Satz.
Wagte
ich es zu sagen: "Ich denke, dass wir dieses Thema abschließen
können. Oder haben Sie noch ein Anliegen?", antwortete sie reproduzierbar: "Es
geht nicht um mein Anliegen!" Begann ich einen Satz mit "Wollen
Sie...?", bekam ich stets zu hören: "Es geht darum, was Sie
wollen!" In meiner Verzweiflung drohte ich mit dem Abbruch der
Psychotherapie (sie meinte, das sei für sie "in Ordnung"),
wenn sie mir nicht endlich wenigstens ihre Diagnose verriete. Hierauf
erzählte sie etwas von einer Problematik, die sie "Primärer Narzißmus"
nannte, und attestierte mir eine narzißtische Persönlichkeitsstörung.
18 Monate brauchte ich, um diese nicht nur ineffektive, sondern
schädliche Psychotherapie endlich beenden zu können, um die Kraft zu
finden, mich aus dieser unheilvollen Beziehung zu lösen. Dass ich in
meinem Kurs "Psychotherapie und Psychosomatische Medizin"
im Studium zu hören bekam, Narzißten seien "ganz schwer gestörte
Menschen", die zu normalen "Objektbeziehungen" überhaupt
nicht fähig seien, entmutigte mich immer mehr. Ich hielt meinen Fall
für hoffnungslos, konnte mir nicht vorstellen, dass sich meine Situation
jemals bessern könnte. Wenn ich doch schließlich "früh gestört"
war, so dass die Technik der Psychoanalyse gar nicht richtig greifen
konnte, weil ich ja keine echte "Übertragungsbeziehung" zu
meinem Psychotherapeuten entwickeln konnte! Besser hätte man mir gar
nicht durch die Blume sagen können, "Ihnen ist eigentlich nicht
zu helfen!"
Die folgenden drei Jahre bis 1996, dem Jahr,
in dem ich mein Studium trotzdem erfolgreich abschloss, kam ich ohne
psychotherapeutische Hilfe einigermaßen zurecht, wenngleich mir depressive
Verstimmungen und der allgegenwärtige Ärger doch immer wieder schwer
zu schaffen machten. Bis zu meinem dritten Staatsexamen hielt ich noch
durch, dann fiel ich in ein regelrechtes Loch. Ich fühlte mich ausgebrannt
und leer, konnte mir nicht vorstellen, wie ich den zukünftigen Anforderungen
meines Berufes jemals gewachsen sein sollte. Eine Stelle hatte ich auch
noch nicht, und so beschloss ich, neben dem Abschluss meiner Doktorarbeit
noch eine weitere Psychotherapie zu machen. Aufgrund der Schwere der
Symptomatik war ich damals der Meinung, dies sei am besten unter stationären
Bedingungen möglich, was jetzt in der Zwangspause zwischen Studium und
Arbeitsbeginn auch gut zu realisieren sein sollte.
Meine Wahl
fiel schließlich wegen der fehlenden Wartezeiten und der kurzen Behandlungsdauer
auf eine Privatklinik im Schwarzwald. Nach langem Hickhack mit der gesetzlichen
Krankenversicherung wegen der Kostenübernahme konnte ich schließlich
im Sommer die stationäre Behandlung antreten. Mein Riesenglück war,
dass ein sehr netter, hoch qualifizierter Diplompsychologe an diesem
Tag neu in der Klinik zu arbeiten angefangen hatte und mich als seinen
ersten Patienten zugewiesen bekam. Ich hatte mich wegen übermäßigen
Ärgers und Aufregung in alltäglichen Situationen an die Klinik gewandt
und fand in ihm einen idealen Gesprächspartner. Innerhalb weniger Tage
brachte er mich durch seine bedingungslose empathische Annahme und sein
aktives Zuhören erst zum emotionalen Ausbruch unter Tränen, dann aber
sehr rasch zur Befreiung und Erleichterung. Rasch erkannte ich die Hintergründe,
wie ich die Aufregung gelernt hatte, wie ich meine Umwelt als allmächtig,
mich dagegen als ohnmächtig erlebt hatte, und wie ich meinen eigenen
Gefühlen ständig durch Unterdrückung und Verdrängung aus dem Weg ging.
Zum ersten Mal seit Jahren fühlte ich wieder etwas außer Wut und Zorn,
ich begann sogar, mich wieder als richtig lebendig und als Teil der
Welt zu erleben.
Im Gegensatz zu den Psychoanalytikern in meinem
Studium, die allen "Narzißten" größte Probleme in Gruppentherapien
vorhersagten, kam ich in der Therapiegruppe sehr gut zurecht. Vor allem
half es mir sehr zu erleben, dass andere Patienten durchaus ähnliche
Schwierigkeiten im Umgang mit Kritik und Kränkungen hatten wie ich -
mochten sie auch nicht bei allen so sehr im Vordergrund stehen.
Unter dem Einfluss von Kunsttherapie, Bewegungstherapie, Körperwahrnehmung
und Laufen lockerten sich meine rigiden Ansprüche an mich selbst zusehends.
Ich begann zu erkennen, dass es viel mehr auf Lebendigkeit und Erlebnisfähigkeit
sowie auf die Fähigkeit zur Einfühlung ankam, als auf die Fähigkeit,
in allem der Beste zu sein oder alles möglichst perfekt zu machen.
Zum ersten Mal lernte ich: Anderes Erleben und Verhalten ist nicht
nur für andere, sondern auch für mich möglich. Ich habe Einflussmöglichkeiten,
die ich nicht für denkbar gehalten hätte. Ich kann mich wohl fühlen
und das Leben genießen, ja in seiner ganzen Vielfalt erst "erleben",
ohne perfekt zu sein. Letzteres verlor als Ziel seine Attraktivität
für mich immer mehr. Ich hatte auch bemerkt, dass ich mein eigenes Erleben
und Verhalten durch mein Denken maßgeblich beeinflussen konnte, mir
fehlten nur noch die gezielten Techniken, die ich erst in der kognitiven
Verhaltenstherapie kennen lernen sollte.
Tatsächlich war ich
nun soweit wiederhergestellt, dass ich die kommenden 18 Monate als Arzt
im Praktikum (AiP) durchhielt, ohne in dieser Zeit psychotherapeutische
Hilfe zu benötigen. An einer süddeutschen Universitätsklinik hatte ich
eine Stelle gefunden und arbeitete zunächst hauptsächlich im Labor.
Die Labortätigkeit machte großen Spaß, ich hatte lediglich ständig
das Gefühl, immer noch nicht genug getan zu haben, selbst wenn ich um
21.00 Uhr das Labor verließ. Nach einem halben Jahr zeichnete sich außer
einem Abstract noch keine Publikation ab, für meinen Betreuer Anlass
für ein ernstes Gespräch, in dem er mir klarmachte, „the honeymoon
is over“, und ich müsste nun allmählich Ergebnisse liefern. Immerhin
zwei Kongressteilnahmen in den USA konnte ich mir für 1997 sichern,
eine Publikation ließ leider immer noch auf sich warten. Es ist nur
natürlich, wie jeder Chemiker, Physiker oder Biologe bestätigen kann,
dass eine neue Labormethode nicht sofort funktioniert und dass ein Zeitraum
von einem Jahr für die Etablierung einer neuen Methode extrem kurz ist.
Die klinische Tätigkeit in einer Spezialsprechstunde der Poliklinik
daneben band mich zusätzlich ein und sorgte allmählich für Erschöpfung,
von der ich mich bei meinem einzigen richtigen Urlaub - einer Woche
im Anschluss an die Kongresse in den USA - auch nicht wirklich zu erholen
vermochte.
Im Herbst 1997 trat ich dann in die klinische Tätigkeit
voll ein, wobei ich auf der onkologischen Station der Klinik eingeteilt
worden war. Schwerste Arbeitsbelastung von 7.30 bis teilweise 20.00
oder 21.00 Uhr, Bereitschaftsdienste und das so genannte "Anciennitätsprinzip",
wonach die jüngsten Assistenten die wenigsten Rechte haben, sorgten
für eine derart extreme Erschöpfung, dass ich mich bereits in bedrohlicher
Nähe des gefürchteten Burnout befand. Damals entstand in mir ein Gedanke,
der lange Zeit zum Leitmotiv meines Denkens bei allen Schwierigkeiten
werden sollte: "Ich kann nicht mehr!"
Viele entsetzte
es, meine Eltern haben es schon als Suiziddrohung missverstanden, bei
jeder Gelegenheit entfuhr mir bald unmerklich: "Ich kann nicht
mehr!"
Zunächst beendete ich die Tätigkeit an der Uni und
kehrte zurück nach Hause zu meinen Eltern, die beide damals krank waren
und meine Hilfe gut gebrauchen konnten. Um daneben auch etwas für mich
zu tun, suchte ich erneut einen Psychotherapeuten auf, diesmal wieder
einen Arzt, einen Psychiater. Auf die Arbeitsbelastung in meinem AiP
angesprochen meinte er, durchaus vernünftig: "Das ist ja weniger
ein psychisches Problem, sondern ein ganz reales Problem!" Wir
führten Gespräche, er verschrieb mir mit meiner Zustimmung auch Antidepressiva,
und es ging mir, wie bei allen Therapien, zunächst etwas besser. Wenn
ich "zunächst" sage, so ist damit eine vorübergehende Besserung
während der Therapie gemeint, die nicht auf Dauer anhielt. Auch hier
fehlte wieder die klare Linie, die Korrektur der Denkfehler, die die
bisherige Problematik unterhielten und die Vermittlung neuer, besserer
Denkmuster. Medikamente können dies ohnehin nicht leisten, aber auch
die Gespräche, die wir führten, erschöpften sich meist in der stützenden
Versicherung, dass meine Probleme doch gar nicht so schlimm seien und
ich doch im wesentlichen als psychisch gesund bezeichnet werden könne.
Sehr oft glitten wir auch in kollegiales Geplauder über Arbeitsbedingungen
in Klinik und Praxis, Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen
und die verschiedenen Eigenheiten von Kollegen ab, das mit meiner Problematik
nur indirekt zu tun hatte und mir nicht dauerhaft aus meiner depressiven
Verstimmung heraushalf.
Ein beruflicher Misserfolg - ein kurzes
Arbeitsverhältnis von sechs Monaten in einer Klinik mit besonders schlimmem
Betriebsklima und ausgeprägten Mobbing-Verhältnissen - sorgte für Krisenstimmung
und Panik. Würde ich jemals den Anforderungen meines Berufes gewachsen
sein? Was war, wenn ich vielleicht nie wieder eine Stelle fand?
Tiefe Verzweiflung und die ersten Suizidgedanken kamen allmählich
in mir auf. Ich zog in Erwägung, erneut in eine Klinik zu gehen, konnte
mich jedoch mit ambulanter Psychotherapie, die sich auf stützende Gespräche
reduzierte, bei meinem Psychiater einigermaßen über Wasser halten. Eine
Klinikambulanz stand mir kurze Zeit ebenfalls zur Seite, Reiten und
Kunsttherapie trugen zusätzlich zur Stabilisierung bei. Wie durch ein
Wunder, als es mir gerade etwas besser ging, fand ich die ideale klinische
Arbeitstelle in einer Kleinstadt ganz in der Nähe meines Wohnortes.
Nun ging es endlich bergauf! Zumindest beruflich war ich nun so
erfolgreich, wie ich es mir immer gewünscht hatte. War ich deshalb aber
persönlich auch zufrieden? Weit gefehlt! Im Zusammenhang mit einem leichten
Magen-Darm-Infekt im Spätsommer 2001 entwickelte ich eine mysteriöse
Symptomatik, die entfernt den Restless legs ähnelte, dazu Übelkeit und
Durchfälle. Dies wiederholte sich noch mehrfach, ohne dass ich irgendeine
Erklärung für die Ursache gehabt hätte. Allmählich bekam ich es mit
der Angst zu tun, die dann die Beschwerden noch verstärkte. Obwohl ich
die klassischen Symptome von Angsterkrankungen aus dem Studium relativ
gut kannte, wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, dass auch für mich
krankhafte Angst eine Rolle spielen könne. Zunehmend aber musste ich
dieser Tatsache ins Auge sehen.
Wenngleich ich nie das klassische
Vermeidungsverhalten entwickelt hatte, so machten mir die Angstattacken
doch schwer zu schaffen und beeinträchtigten mein Leben in vielen Bereichen.
Beruflich bekam ich vor allem Angst, zu häufig krank zu werden und damit
langfristig den ärztlichen Beruf nicht ausüben zu können. Fiel ich an
meinem jetzigen Arbeitsplatz einmal aus, so standen meine beiden ärztlichen
Chefs alleine mit Klinik und Sprechstunde da; nicht günstig, aber kurze
Zeit durchaus zu bewältigen. Was jedoch sollte werden, wenn mir dies
später, als Inhaber einer eigenen Praxis, passierte? Was wäre, wenn
ich selbst z. B. eine Operation durchführen müsste und plötzlich unter
Übelkeitsattacken und Durchfällen zu leiden hätte? War ich dem normalen
ärztlichen Beruf überhaupt gewachsen? Musste ich vielleicht mit vorzeitiger
Berufsunfähigkeit und sozialem Abstieg rechnen?
Immer weiter
zogen meine Grübeleien ihre Kreise. War ich dem selbstverantwortlichen
Leben eines Erwachsenen überhaupt gewachsen? War ich "normal"?
Oder tatsächlich schwer persönlichkeitsgestört? Psychisch krank? Drohte
mir vielleicht eine noch schwerere Erkrankung, etwa eine Psychose? Oder
vielleicht ein Tumorleiden, Leukämie, Lymphom oder ähnliches? Wenn jetzt
meine Eltern nicht mehr da wären? Mein Vater redete doch ständig vom
Sterben! Grauenhafter Gedanke, ihn zu verlieren, und bei meiner Mutter
durfte ich den Gedanken nicht einmal zu Ende denken, ohne in Angst zu
verfallen. Was wäre, wenn ich selbst sterben müsste? Als Leitmotiv kamen
dann immer wieder die Gedanken: Ich kann nicht mehr! Ich will nicht
mehr! Ich halte das alles nicht mehr aus!
Als die ersten schweren
Angstattacken auftraten, stieß ich im Internet auf die Informationen
vom Institut für Psychotherapie in Stuttgart.
Ich war fasziniert. Es klang alles so völlig anders, als ich es bisher
im Studium gehört hatte, dass ich mich unbedingt näher damit befassen
wollte. Wohl hatte ich den Begriff "kognitive Verhaltenstherapie"
bereits gehört, sie aber niemals als Möglichkeit für mich in Erwägung
gezogen. Noch nie hatte ich ein so schlüssiges und in sich logisches
Konzept psychischer Störungen gefunden, wie ich es bei
präsentiert erhielt. Mit seiner Offenheit und
Transparenz überzeugte es mich und ich wusste sofort: Hier konnte ich
tatsächlich Hilfe in relativ kurzer Zeit erwarten.
Ebenso transparent
und schlüssig waren die Rahmenbedingungen am
Institut für Psychotherapie: Wer -Qualität
will, kann sie nur zu den bewährten -Regeln
erhalten. Diese Stringenz zeigte sich auch wirtschaftlich: Ohne Kreditkarte
oder Vorauszahlung gibt es an dem privaten Institut keine psychotherapeutische
Leistung. Hier erst erkannte ich, wie abwegig die Erwartung ist, wirksame
Hilfe von Psychotherapeuten zu erhalten, die seit Jahren öffentlich
immerfort über ihr Honorar jammern und nicht einmal in Lage sind, für
sich selbst zu sorgen. Auch meine ärztliche Sozialisation hatte mich,
wie ich feststellte, vielmehr in die Abhängigkeit getrieben als lebensfähig
gemacht. Deshalb übernahm ich jetzt konsequent die Verantwortung für
mich: Während alle bisherigen Therapieversuche, so teuer und ineffizient
sie auch waren, über meine Krankenkasse liefen, betrachtete ich die
1.564,69 Euro Honorar, die ich bei zu zahlen
hatte, als eine hochrentable Investition in meine Zukunft. Ich füllte
die Online-Anmeldung aus, telefonierte über die bei der Anmeldebestätigung
erhaltene Rufnummer direkt mit Herrn und vereinbarte
ein Erstgespräch.
Im Februar 2002 trafen wir uns das erste Mal
in Stuttgart und sprachen über meine berufliche und private Situation.
Herr erfasste in kurzer Zeit den Kern meiner
psychischen Probleme. Ich fühlte mich tief in meiner Leidensgeschichte
verstanden. Mein zehnjähriger Irrweg überraschte ihn nicht. Der sei
leider eher typisch für das Versagen im deutschen Gesundheitssystem,
in dem Psychotherapeuten ihren Patienten so lange Behandlungsbedürftigkeit
attestieren dürfen, wie ihr Appetit anhält.
machte aber auch klar, dass es gleichwohl effiziente Wege gibt, die
mich rasch aus meiner beklagenswerten Situation führen können. Klienten
seien für ihn mündige Partner, denen er sein Wissen und seine Techniken
zur Verfügung stelle, damit sie ihre Therapieziele und Lebensziele erreichen,
unterbreitete er sein Angebot: Er weise mir den Weg zu einem neuen,
gesunden Denken, erklärte er, während ich die anstrengende Arbeit zu
übernehmen habe, diese Veränderungen in meinem Alltag umzusetzen. Ich
nahm dieses Angebot an.
Endlich erlebte ich Psychotherapie als
eine Dienstleistung ohne Mystik, Arroganz und Geheimniskrämerei: Ich
wollte Antworten, der Psychotherapeut gab sie mir; ich definierte mein
Therapieziel, der Psychotherapeut stellte mir die Wegweiser auf, die
mich zu meinem Ziel führten.
Zunächst bekam ich die Aufgabe,
den von mir gewünschten Psychotherapie-Block detailliert vorzubereiten.
Indem ich in den nächsten Wochen seinen Instruktionen folgte und mich
neben meinem Beruf intensiv dieser Aufgabe widmete, merkte ich, wie
sich einige meiner problematischen Denk- und Verhaltensmuster bereits
hierdurch zu lockern begannen. Ironischerweise gewann ich gerade durch
diese spezifische Therapievorbereitung nach einem nur einstündigen Gespräch
mit Herrn mehr an neuen Erkenntnissen, als durch
alle tiefenpsychologischen und angeblich "aufdeckenden" Therapieversuche
zuvor.
Ein Intensivwochenende im März mit zwei Therapieblöcken
zu je vier Stunden (Samstag und Sonntag) markierte einen bis dahin nicht
gekannten Wendepunkt in meinem Leben. Bereits die Besprechung meiner
Lebensgeschichte machte mir klar, dass die Diagnose "Narzißtische
Persönlichkeitsstörung" eine groteske Fehlbeurteilung der Psychoanalytiker
war. Vielmehr musste ich meine hauptsächlichen Probleme als typisch
für hochbegabte Menschen erkennen - nie zuvor hatte ein Psychotherapeut
meine Zugehörigkeit zu dieser Personengruppe in Zusammenhang mit meinen
Symptomen gebracht. "Handicap Hochbegabung" und "Soziale
Phobie" waren die Begriffe, die Herr mit
Vorsicht gebrauchte, um meine Problematik zu beschreiben.
Eine
Zentnerlast war von mir genommen. Endlich konnte ich das lähmende Etikett "persönlichkeitsgestört"
ablegen und mich von den falschen tiefenpsychologischen Einflüssen befreien,
die mich über ein Jahrzehnt meines Lebens schwer belastet hatten, indem
sie mir die Unlösbarkeit meiner Problematik vorgaukelten. Befreit und
glücklich verbrachte ich den Samstagnachmittag, um am nächsten Morgen
von Herrn die Ursachen und die Therapiemöglichkeiten
bei Angstzuständen und Panikattacken - und einiges mehr - erklärt zu
erhalten. Zum ersten Mal wurde mir mit ganz einfachen, klaren Worten
verdeutlicht, durch welche elementaren Denkfehler ich mich in Angst
und Panik hineingesteuert habe. Fast war ich schon geneigt gewesen,
mich zu fragen: Warum bin ich darauf eigentlich nicht selbst gekommen?
Anders ausgedrückt: Es gibt wohl Menschen, die mit ihren hauptsächlichen
Lebensproblemen weitgehend selbständig zurechtkommen und nie das Bedürfnis
nach Psychotherapie verspüren. Wenden sie vielleicht die Grundsätze
der kognitiven Verhaltenstherapie intuitiv richtig an? Gerade im Vergleich
zu den unbefriedigenden Ergebnissen meiner zehnjährigen Psychotherapiegeschichte
verstehe ich jetzt, dass große psychotherapeutische Kunst erforderlich
ist, Klienten die komplizierten Irrtümer der Psyche mit einem logischen
Erklärungsmodell verständlich aufzuzeigen und ihnen mit einer klaren
Handanweisung einen Weg aus dem Irrgarten zu weisen.
Bei allen
bisherigen Therapien hatte ich nur eine vorübergehende Besserung verspürt,
bevor ich langsam wieder in mein früheres Verhaltensmuster abglitt.
Kein Wunder: Keine Psychotherapie vorher hatte sich mit meinen fehlerhaften
und einseitigen Denkmustern auseinandergesetzt. Statt einer Verschlechterung
machte ich nun alleine weitere Fortschritte! Mit Hilfe kognitiver Literatur
vertiefte ich das, was ich bei Herrn gelernt
hatte, und arbeitete immer mehr auf das - auch von ihm explizit formulierte
- Ziel hin, mein eigener Therapeut zu werden.
Nicht, dass ich
keine Rückfälle ins alte Denken und Verhalten erlebt hätte - weit gefehlt!
Nun aber hörte ich auf, mich für einen Rückfall selbst zu verurteilen
und machte nicht mehr meinen Selbstwert von meinem Verhalten abhängig.
A propos Selbstwert: Das zentrale Problem der angeblichen "Narzißten"
löste sich durch eine Schlüsselerkenntnis, die mir die kognitive Verhaltenstherapie
vermittelte, auf ganz einfache Weise: Der Begriff "Selbstwert"
impliziert gerade die eigene Wertbestimmung für mich durch mich selbst
- sonst wäre es kein Selbstwert, sondern ein Fremdwert! Demzufolge kann
auch niemand anders meinen Selbstwert herabsetzen oder mich kränken
- das kann ich nur selbst, indem ich mir als Folge einer "Kränkung"
selbst kränkende Gedanken mache! Hätte man mir dies vor zehn Jahren
erklärt, anstatt mich mit der fehlgehenden Diagnose "narzißtische
Persönlichkeitsstörung" im Raum stehen zu lassen, was wäre mir
an Leid erspart geblieben!
Im Sommer 2002 war ich von pathologisch
übersteigerter Angst (nicht von normaler, gesunder Angst!) wieder soweit
frei, dass ich allein auf die Malediven fliegen und mein Hobby, das
Tauchen, wieder aufnehmen konnte - nach ganzen sechs Therapiesitzungen!
Im September rief ich noch einmal bei Herrn
an, um ihm in zwei abschließenden Sitzungen ein Feedback zu geben und
für mich noch etwas "kognitive Auffrischung" zu erreichen.
Nach acht Therapiestunden im Verlauf eines halben Jahres waren meine
angeblich so schwere "Persönlichkeitsstörung" und meine Suizidgedanken
einem weitgehend normalen und absolut lebenswerten Leben gewichen.
Als Abschluss meiner Psychotherapie versprach ich Herrn
, meine Erfahrungen aufzuschreiben und unter
Pseudonym auf seinen Internetseiten zu veröffentlichen. Ich möchte damit
auch anderen Betroffenen Mut machen, die kognitive Verhaltenstherapie
für sich zu entdecken. Die Möglichkeiten moderner Psychotherapie sind
so weit fortgeschritten, dass die Mehrheit der Patienten, die an psychischen
Störungen leiden, nicht so lange und so schwerwiegend leiden müssten,
weil ihnen durchaus wirksam geholfen werden könnte. Und dies in so kurzer
Zeit und auch mit vergleichsweise geringem finanziellem Aufwand.
Leider ist es besonders tragisch, dass gerade Ärzte immer noch kaum
Kenntnisse über diese Möglichkeiten besitzen und auch nur schwer erwerben
können. Für meine Facharztweiterbildung ist z.B. eine Fortbildung im
Bereich "Psychosomatische Grundversorgung" erforderlich. Fast
alle Fortbildungen, die ich hierfür finden konnte, vermitteln nur überholte
tiefenpsychologische und psychoanalytische Konzepte! In meinem Studium
habe ich den Begriff "kognitive Verhaltenstherapie" wohl gehört,
aber keinerlei genauere Erklärung hierzu bekommen. Die gegenwärtige
Versorgungssituation wird sich meines Erachtens erst dann ändern, wenn
die hochwirksame kognitive Psychotherapie bzw. Verhaltenstherapie zum
Standard geworden ist und allen Hilfesuchenden zugänglich gemacht wird.
Seit meiner eigenen Psychotherapie habe ich bereits mehreren meiner
Patienten die kognitive Verhaltenstherapie empfohlen und deren Ansätze
in meine eigenen Gespräche integriert - mit großem Erfolg.
Die
Informationen aus dem Institut und andere Angebote
im Internet leisten für die moderne Informationsgesellschaft einen wichtigen
Beitrag zur Verbreitung wirksamer, moderner Psychotherapie. Mein persönlicher
Irrweg auf der Suche nach qualifizierter Psychotherapie hat mich über
viele Jahre meines Lebens deformiert, geschädigt - und zu Suizidgedanken
geführt. Wenn Ärztinnen und Ärzte heute die größten psychischen Probleme
mit sich selbst haben, sich mit Tabletten, Alkohol und Burnout ruinieren,
so weiß ich inzwischen: sie haben es nicht besser gelernt. Wenn es mir
mit diesem Artikel gelingt, ein wenig zur Veränderung dieses unhaltbaren
Zustandes beizutragen, vor allem aber auch möglichst vielen psychisch
Leidenden Mut zur (richtigen) Psychotherapie zu machen, dann hätte er
seinen Zweck erfüllt.