Hinweis der Angstambulanz am Zürichsee SM Rapperswil - Schwyz - St. Gallen - Zürich zum nachfolgenden Text:
Dieser Text schildert die kognitive Verhaltenstherapie an der Angstambulanz, die vom Psychotherapeuten im Jahr 1992 in Stuttgart gegründet und aufgebaut wurde. Der Bericht über die Psychotherapie bei Sozialangst, Angststörungen, der Panikstörung, Phobien sowie Zwangsstörungen wurde in der Zeitschrift "PSYCHOTHERAPIE" am 06.11.1997 veröffentlicht.
Der Inhalt ist heute noch so zutreffend wie vor über 20 Jahren, jedoch hat die Entwicklung, die die kognitive Verhaltenstherapie als kognitive Psychotherapie, kurz: kognitive Therapie, in Wissenschaft und Praxis erfahren hat, heute die direkte Vor-Ort-Begleitung durch Psychotherapeuten beim Expositionstraining in der Regel überflüssig gemacht. Seit dem Jahr 2000 konnten Patienten und Klienten der Angstambulanz in Stuttgart das Expositionstraining, wie die Reizkonfrontation beim Umlernen in den phobischen Situationen bezeichnet wird, aufgrund der mit dem -Anti-Angst-Coaching vom Psychotherapeuten verfeinerten kognitiven Vorbereitung selbständig und ohne kostentreibende Begleitung eines Psychotherapeuten bzw. Verhaltenstherapeuten bewältigen.
Beim Lesen dieses Textes von 1997 ist zu beachten, dass sich der Zeitbedarf beim -Anti-Angst-Coaching wie auch in der kognitiven Verhaltenstherapie der Angststörung, Panikstörung und Phobie von damals durchschnittlich 15 Stunden auf heute nur noch 10 Stunden bis zum Therapieerfolg reduziert hat. Dies ist dem psychotherapeutischen Fortschritt und der kognitiven Entwicklung zu verdanken, den die kognitive Verhaltenstherapie in den vergangenen zwei Jahrzehnten erfahren hat.
Psychotherapie, 06.11.1997
Von
Ängste (Phobien) und Panikstörungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen - und zu den am besten behandelbaren. Unter ihnen leiden bis zu 30 Prozent der Bundesbürger, deren Handlungsspielraum durch diese Erkrankung eingeschränkt wird und deren Lebensqualität und Leistungsfähigkeit dadurch häufig erheblich beeinträchtigt ist.
Die Wissenschaft unterscheidet drei große phobische Störungsklassen, die sämtlich als Krankheit gelten:
Isolierte Phobien sind Ängste, die auf ganz spezifische Situationen beschränkt sind, z.B. auf Prüfungen, Höhen, das Fliegen, das Fahren auf Autobahnen oder mit Ski-Liften, Donner, Eingeschlossen-Sein, Krankheiten, Dunkelheit, die Nähe bestimmter Tiere, Benutzen öffentlicher Toiletten, Zahnarztbesuch etc.
Diese Phobien haben ihren Ursprung häufig in der Kindheit und im frühen Erwachsenenalter. Die realen Behinderungen hängen davon ab, wie leicht die Betroffenen die phobische Situation vermeiden können: Betroffene nehmen oft mühselige Umwege auf sich, bei Angst vor der Autobahn fahren sie zum Beispiel viele Stunden über Feldwege. Bei Flugangst mag es für den Urlaub angehen, eine Seereise zu buchen. Für den Manager, den sein Job nach Chicago oder Tokio führt, ist eine Seereise jedoch undenkbar. In diesen Fällen, in denen eine Vermeidung ausgeschlossen ist, können massive Panikattacken auftreten.
Die Sozialangst bzw. soziale Phobie beinhaltet die Angst vor Beobachtung und prüfender Betrachtung durch andere. Betroffene fürchten, zu versagen oder etwas zu tun, was peinlich, ungeschickt, dumm oder demütigend sein könnte, wenn sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Sie vermeiden diese Situationen und gelangen oft in soziale Isolation - bis zu völliger Arbeitsunfähigkeit.
Sie sind z.B. selbstunsicher, können nicht an Feiern teilnehmen oder sich in sozialen Situationen äußern (Rede-Angst). Häufige Beschwerden sind Erröten, Übelkeit, Vermeiden von Blickkontakt, Händezittern, Drang zum Wasserlassen oder zu vermehrtem Stuhlgang. Diese Folgesymptome der Angst werden oft als das primäre Problem fehlinterpretiert, mit Medikamenten behandelt und können so die Phobie überdecken und vertiefen.
Die agoraphobischen Ängste (z.B. Platzangst) umfassen im weiteren Sinne nicht nur Ängste auf offenen Plätzen, sondern auch vor Menschenmengen, dem Verlassen der eigenen Wohnung, dem Betreten von Kaufhäusern, öffentlichen Verkehrsmitteln, allein zu sein usw. Kurz: Angst, umzufallen und hilflos in der Öffentlichkeit liegen zu bleiben.
Ein typischer Auslöser der Symptome einer Agoraphobie und der Panik ist das Fehlen eines jederzeit verfügbaren "Fluchtweges" oder "Fluchtortes", z.B. bei Reisen allein und mit weiter Entfernung von zu Hause. Je nach der Intensität ihres Vermeidungsverhaltens sind Erkrankte schließlich völlig an ihr Haus gefesselt und müssen ihren Beruf aufgeben.
Mögliche Symptome einer Angst- und Panikstörung, die allein oder gemeinsam als vegetative Reaktion auf die angstauslösende Situation auftreten können, sind häufig Herzklopfen, Herzrasen oder unregelmäßiger Herzschlag, Schwindel und Schwindelgefühle, Kurzatmigkeit oder Atemnot, Schmerzen, Beklemmungsgefühle im Brustkorb, Erstickungs- oder Würgegefühle, Kribbeln oder Taubheit in Körperteilen, Gefühle der Unwirklichkeit oder des Losgelöstseins, geschwollene Zunge oder süßer Geschmack im Mund, Seh- und Wahrnehmungsstörungen (z.B. eingeengtes Sichtfeld), Schwitzen, Hitzewallungen oder Kälteschauer, Zittern oder Vibrieren, Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden. Zu diesen vegetativen Reaktionen treten später oft als Begleiterscheinung weitere Ängste hinzu, zum Beispiel Angst, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden, oder Todesangst.
Die Folge ist meist, dass diese Situationen zunehmend vermieden werden, was den Handlungsspielraum der Betroffenen in wachsendem Maße vermindert und ihre Überzeugung von der Gefährlichkeit der Situation mehrt. Hinzu kommen oft vielfache Untersuchungen bei zahlreichen Ärzten mit langfristig erfolglosen medikamentösen Behandlungsversuchen, wodurch die Fehlinterpretation der Angststörung als körperliches Problem verstärkt wird. Es entsteht ein Teufelskreis, der zunächst nicht als solcher erkannt wird und aus dem die Betroffenen sich dann selbst oft nicht mehr befreien können.
Während spezifische und soziale Phobien meist bereits in der Kindheit und Jugend beginnen, treten Agoraphobie und Panikstörung in der Regel erstmals im frühen Erwachsenenalter (20-30) auf. Angststörungen entwickeln sich zumeist relativ plötzlich im Zusammenhang mit belastenden Erfahrungen, die phobische Lernprozesse in Gang setzen. Ein typisches Beispiel ist ein erlebter Auto-Unfall, der zu großem Stress, körperlicher Erregung und dem Erleben von Kontrollverlust führte. Die Erinnerung daran erzeugt Angst vor der Wiederholung der unangenehmen Erregung und dem erlebten Kontrollverlust, die ihrerseits für die folgende Vermeidung des Autofahrens verantwortlich ist.
Solche mit unangenehmen Erlebnissen und Erfahrungen verbundene Lernprozesse sind die Ursache dafür, dass die mit diesen Erlebnissen und Erfahrungen verknüpften Situationen Angst auslösen und vermieden werden. Nicht immer bedarf es jedoch eines eigenen traumatischen Ereignisses. Viele Angstklienten berichten, dass sie ohne erkennbare Ursache Angst bekamen. In diesen Fällen treten als weitere wichtige Ursache gedankliche Prozesse hinzu, die die Wahrnehmung bestimmter Situationen verzerren und zu falschen Vorstellungen über deren Gefährlichkeit führen. Dies kann z.B. über Vorbilder geschehen, die ängstliches Verhalten vorleben. Die Angst wird hierbei vom Modell gelernt.
Ebenso kann beispielsweise die unkritische Aufnahme einer gelegentlichen Häufung von Nachrichten über Flugzeugabstürze das gedankliche Schema "Fliegen" mit so großen Gefahrenmerkmalen ausstatten, dass allein der Gedanke an das Fliegen bereits massive körperliche Reaktionen erzeugt. Frühere Erfahrungen, Fehlinterpretationen und Lern-Modelle sowie aktuelle Gedanken, Gefühle und physiologische Zustände wirken somit bei der Entstehung einer Angst- und Panikstörung zusammen.
Eine entscheidende und oft unterschätzte Einflussgröße ist die Eigendynamik, die jede Angststörung erlangt. Fast immer geht die Erkrankung mit massiven körperlichen Beschwerden einher, die anfänglich gering sein können und bei ersten ärztlichen Konsultationen mitunter nicht als Ausdruck einer beginnenden Angststörung identifiziert werden. Diese Beschwerden können dann mehr und mehr die Aufmerksamkeit des Betroffenen auf sich ziehen und sich leicht verselbständigen.
Meist sind Angst- und Panikstörungen in ein größeres Problemgeflecht eingebunden. Betroffene, die eine längere Erkrankungsdauer oder vergebliche stationäre Behandlungen hinter sich haben, befinden sich häufig bereits in einer "Abwärtsspirale" aus Folgeproblemen einer jahrelang unentdeckten oder falsch behandelten Angststörung, die typischerweise lange Arbeitsunfähigkeit, berufliche Einschränkungen, familiäre Konflikte, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch und depressive Entwicklungen bis zu Suizidversuchen umfassen kann.
Es ist leider sehr selten, dass ein Klient bereits wenige Tage oder Wochen nach dem Auftreten einer Angst- oder Panikstörung die richtige Behandlung sucht bzw. erhält. In diesen Fällen jedoch, in denen Betroffene bereits zu Beginn der Angst- und Panik-Störung (z.B. nach dem ersten Panikanfall) einen erfahrenen Psychotherapeuten aufsuchen, genügen oft fünf Sitzungen mit kognitiver Verhaltenstherapie, um die Angst- und Panikstörung zu beheben bzw. einen längeren Leidensweg und hohe Kosten zu verhindern. Häufiger beginnt die Therapie leider erst nach jahre- oder jahrzehntelangem Leidensweg, weil dem Betroffenen keine kognitive Verhaltenstherapie und massierte Reizkonfrontation angeboten wird, die nach Prof. Dr. D. Schulte von der Ruhr-Universität "dem einzelnen Patienten nachweislich mit größter Wahrscheinlichkeit helfen würde" (Schulte 1992, S. 337).
Entgegen vielfachen überlebten Vorstellungen ist eine Psychoanalyse nicht wirksam, betonen Prof. Dr. G. Côté und Prof. Dr. David H. Barlow vom Zentrum für Stress- und Angsterkrankungen der State University of New York: "psychoanalytische Therapie hat sich bei Panikstörungen nicht als wirksam erwiesen" (Côté & Barlow 1993, S. 163f.). Erfreulicherweise kann aber selbst bei langjährig bestehenden Angst- und Panikstörungen durch kognitiv-behaviorale Verfahren und Reizkonfrontation mit einer Erfolgsrate von "gut 90 %" geholfen werden. Das ist nach Grawe u.a. (1994) die höchste Erfolgsrate von allen bekannten Therapieverfahren: "Therapeuten, die dies - aus welchen Gründen auch immer - nicht tun, legen ihren Patienten völlig unnötig ein verlängertes oder nie endendes Leiden auf und verstossen, das kann man heute so sagen, gegen die Regeln der Kunst" (S. 344).
Betroffene, die von Ärzten und Psychotherapeuten trotz dieser übereinstimmenden wissenschaftlichen Bewertung bei einer Angst- und Panikstörung mit psychoanalytisch orientierter Psychotherapie behandelt worden sind, sollten sich nicht scheuen, wegen dieses eklatanten Kunstfehlers einen auf Medizinrecht und Arzthaftung spezialisierten Rechtsanwalt zu konsultieren.
Ein typischer Brief eines Klienten nach nach nur 15 Stunden kognitiver
Verhaltenstherapie in der Angstambulanz am
Institut für Psychotherapie, Stuttgart,
illustriert die krassen psychotherapeutischen Unterschiede:
"Als
ich meine Therapie begann war ich völlig am Ende. Die einzige Lösung
für das Ende meiner permanenten Angst, zu dieser Zeit gab es fast keinen
Moment mehr ohne sie, schien der Selbstmord. Als letzten Versuch, der
aber eigentlich nur noch klären sollte, wieso es soweit kommen konnte,
suchte ich einen Hypnotherapeuten auf. Nie hätte ich gedacht, daß ich
dort erfahren würde, daß meine Angst eine behandelbare Phobie ist. Schließlich
hatte man mir in 40 Stunden Psychoanalyse beigebracht, daß ich in der
Vergangenheit mehr schlechte als gute Erfahrungen und mehr Probleme
als Lösungen erlebt hatte. Somit hielt ich mich als Totalversager, der,
wenn überhaupt noch möglich, als Wrack durch das Leben gehen sollte.
Und das wollte ich nicht. Also begann ich die Therapie auch sehr skeptisch.
Als Klärung vor dem Ende [...]
Nach ca. 5 Monaten und 15 Therapiestunden, die allesamt auch noch Spaß gemacht haben, habe ich es geschafft, eine neue Sicht der Dinge zu gewinnen. Dadurch kann ich, besser als die 22 Jahre vor Beginn der Erkrankung, leichter mit Ängsten und Problemen umgehen. Daß ich vier Jahre meines Lebens unter permanenter Angst gelitten habe, und ich dabei viel verloren habe, ist zwar ein hoher Preis, aber heute bin ich froh, diese Erfahrung gemacht zu haben. [...]"
Entsprechend dem individuellen Problemgefüge jedes Betroffenen werden in der Angstambulanz verschiedene hocheffiziente verhaltenstherapeutische und kognitive Techniken kombiniert. Neben Techniken zur Angst- und Panikbehandlung sowie der massierten Reizkonfrontation werden beispielsweise kognitiv-behaviorale, rational-emotive oder hypnotherapeutische Verfahren zur Behandlung von Depressionen oder Abhängigkeitsproblemen angewandt. Da die Erkrankung oft in einem konkreten Beziehungsfeld verfestigt ist, können zudem Techniken der kognitiven Paar- und Familientherapie eingesetzt werden. Ebenso kann es bei einer sozialen Phobie erforderlich sein, separat Problemlösefähigkeiten und Sozialkompetenz zu trainieren. Das kann individuell oder in speziellen Therapiegruppen erfolgen. Moderne audio-visuelle Techniken (Video-Feedback u.a.) können diesen Prozess unterstützen.
Mitunter wird die Frage gestellt, ob es sinnvoll ist, in eine psychiatrische, psychosomatische, psychotherapeutische Klinik zu gehen. Oft entsteht diese Frage aus der vom gegenwärtig existierenden Gesundheitssystem geförderten Erwartung, in einer Klinik die intensivere Behandlung zu erfahren. Das mag für chirurgische Eingriffe zutreffen. Bei psychischen und Verhaltensproblemen, deren wirksame Behandlung die Verbindung der aktiven Veränderung gedanklicher Verhaltensschemata mit dem praktischen Training in den realen Problemsituationen des Klienten unbedingt erfordert, ist regelmäßig eine Klinikbehandlung ohne Vorteil gegenüber einer spezialisierten ambulanten Behandlung. Im Gegenteil: Regelmäßig verursacht eine Klinikbehandlung unnötig ein Vielfaches an Kosten und verfestigt nicht selten die Störungen (vgl. z.B. den Bericht "Der nackte Kaiser").
In bezug auf die wirtschaftlichen Vorteile einer im konkreten Lebensraum der Patienten ausgeführten massierten Reizkonfrontation gegenüber einer teureren Klinikbehandlung führen Grawe u.a. (S. 343) aus: "Während Agoraphobien ... noch vor dreißig Jahren zu den sehr schwer behandelbaren Störungen zählten und Patienten mit diesen Störungen in grosser Zahl die psychiatrischen Kliniken bevölkerten, hat sich das Bild heute drastisch gewandelt. Patienten mit solchen Störungen haben heute eine eher günstige Prognose, und dies ist fast gänzlich den Reizkonfrontationstherapien zu verdanken."
Stellvertretend für viele verdeutlicht dies ein Klienten-Brief nach Abschluss der ambulanten kognitiven Verhaltenstherapie in der Angstambulanz am Institut für Psychotherapie in Stuttgart:
"Der Zeitaufwand und die Kosten, die ich hatte, waren minimal im Vergleich zu dem Gewinn an Lebensqualität. Heute kann ich jedes Verkehrsmittel und Aufzüge angstfrei benutzen, habe keine Angst mehr vor Untersuchungen und zahnärztlichen Behandlungen. Jetzt fühle ich mich endlich wieder frei und nicht mehr als Gefangener meiner Ängste. Dafür möchte ich mich bei Ihnen von ganzem Herzen bedanken. Ich hätte nie gedacht, daß mir in so kurzer Zeit (etwa 2 ½ Monate) geholfen werden kann, da ich mich für einen schwierigen Fall hielt...".
Leider ist die Nutzung wirksamer Psychotherapie durch viele hemmende gesellschaftliche, institutionelle und wirtschaftliche Rahmenbedingungen bzw. Interessen auch heute noch eher die Ausnahme. Grawe u.a. lassen keinen Zweifel: "Der die Gemeinschaft am teuersten zu stehen kommende Umgang mit psychischen Störungen ist der gegenwärtige. Die Nicht-Nutzung der besten bestehenden Behandlungsmöglichkeiten führt zu den größten Kosten, nicht deren Nutzung" (S. 681).
Zwei sehr unterschiedliche Therapiebeispiele, wie mit typischen Angst- und Panikstörungen im gegenwärtigen Gesundheitssystem umgegangen wird, mögen dies illustrieren.
Ein 24jähriger Student hatte seit 1988 in wechselndem Maße klare phobische Symptome, die als solche nicht erkannt und behandelt, sondern mit Diagnosen wie "Psychose im Rahmen einer wahnhaften Störung" oder "Hypochondrische Störung" belegt wurden. In der Folge verbrachte der Klient in zwei psychosomatischen und psychiatrischen Kliniken insgesamt fünf Monate seines Lebens und hatte in einer psychoanalytisch orientierten Nervenarztpraxis psychotherapeutische Gespräche, die seinen Zustand verschlimmerten, wurde unnötigerweise mit Medikamenten behandelt und verursachte durch seine exzessiven Bemühungen um diagnostische Klärung seiner Beschwerden immense Kosten. Diese Zeit schilderte er folgendermaßen: "Das Leben lief an mir vorbei, nur noch meine panischen Ängste standen im Vordergrund. Die Lust auf Freizeitgestaltung wie sonst üblich, Interesse am Studium und dem Alltag ging verloren. Irgendwann war ich nicht mehr in der Lage, die alltäglichen Dinge des Lebens zu bewältigen."
Leider erst in diesem Zustand gelangte der Klient in die verhaltenstherapeutische Behandlung der Angstambulanz am Institut für Psychotherapie in Stuttgart, war aber dann nach insgesamt nur 24 Sitzungsstunden kognitiver Therapie (in 6 Monaten) nach seiner Aussage wiederhergestellt "wie vor der Erkrankung" und absolvierte seinen Studienabschluss mit der Bestnote.
Und die ganz seltene positive Ausnahme:
Eine 35jährige Sekretärin gelangte nach einer langjährigen schleichenden phobischen Entwicklung, die im November 1993 erstmals in Panikanfälle mündete, durch einen aufmerksamen Facharzt bereits wenige Wochen später in die verhaltenstherapeutische Behandlung der Angstambulanz.
Nach insgesamt nur fünf Sitzungsstunden kognitiver Vorbereitung und einer vierstündigen Reizkonfrontation in ihrer individuellen Problemsituation außerhalb der Angstambulanz vermochte die Patientin, ihre gefürchteten Problemsituationen ohne Angst zu bewältigen, und konnte ihre Behandlung (nach zwei Wochen) erfolgreich beenden.
Neben dem Kostenaspekt spricht jedoch auch der entscheidende psychotherapeutische Vorteil des konkreten Lebens- und Problemraumes des Patienten für eine konsequente ambulante Psychotherapie. (1994) weist auf die aus dem Vorhandensein der Kliniken resultierenden falschen Erwartungen hin: "Die weltweit beispiellos hohe Zahl von stationären Psychotherapieplätzen in Deutschland kostet extreme Summen und ist keinesfalls wirtschaftlich. Wenn Patienten sich nach mehrwöchigen und mehrmonatigen Aufenthalten in psychosomatischen / psychotherapeutischen Kliniken dem ambulanten Behandler in ihrem realen Lebensumfeld sehr rasch wieder mit all ihren Symptomen präsentieren, so sind die Klinikkosten eher einem lebensfernen 'Glashauseffekt' denn einer wirksamen Behandlung zugeflossen." (S. 238)
Auch gegenüber den bei anderen Erkrankungen durchaus nützlichen Selbsthilfegruppen ist bei Angst- und Panikstörungen äußerste Zurückhaltung angebracht. Auf den zweiten Blick zeigt sich regelmäßig, dass eine Selbsthilfegruppe eher zur Chronifizierung der Erkrankung beiträgt: Das "Schmoren im eigenen Saft" kultiviert häufig die Probleme und der wechselseitige Zuspruch innerhalb der Gruppe (wenn er denn tatsächlich vorhanden ist) deckt die Veränderungsbereitschaft eher zu. Eine effiziente Behandlung unter der Leitung eines erfahrenen Psychotherapeuten ist stets der bessere und raschere Weg zum Erfolg.
Die Versuchung, ein Problem durch ein Medikament zu lösen, ist relativ groß, denn im Verständnis vieler Betroffener (und deren Behandler) erscheint dies als der einfachste Weg. Tatsächlich haben Medikamente viele Krankheiten heilbar oder zumindest erträglich gemacht. Aber nicht immer ist eine Medikation wirklich eine sinnvolle oder dauerhafte Lösung. Bei psychotherapeutisch behandelbaren Störungen wie Angst- und Panikreaktionen sind Medikamente in aller Regel kontraindiziert und behindern den Erfolg.
Bei Angst- und Panikstörungen empfiehlt sich nach dem heutigen Stand der Forschung statt einer Medikation klar eine psychologische Therapie. Dr. Heribert Unland und Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie fassen die internationalen Erfahrungen zusammen und stellen fest: "Die klinischen Besserungsraten liegen am höchsten für kognitive Therapieverfahren, sowie am niedrigsten für Beta-Blocker, niedrigpotente Benzodiazepine und die Programmierte Praxis. Die Rückfallraten sind mit Ausnahme der trizyklischen Antidepressiva bei allen pharmakologischen Strategien sehr hoch, bei psychologischen Strategien sehr niedrig" (Unland & Wittchen, 1994, S. 21). "Insgesamt", so schreiben die Forscher weiter, "kann es so nicht überraschen, daß im Effektivitätsindex die Überlegenheit der kognitiv-behavioralen Verfahren und der Exposure-Verfahren deutlich ausfällt".
Auch die Drop-out-Rate (Abbruch-Rate) ist bei pharmakologischen Strategien sehr hoch und "bei den nebenwirkungsintensiveren trizyklischen Antidepressiva und MAO-Hemmern am höchsten. Dieser Effekt zeigt sich im übrigen auch dann noch, wenn in der jeweiligen Studie versucht wurde, mit kognitiven Methoden die Problematik der unangenehmen Nebenwirkungen zu reduzieren" (Unland & Wittchen, 1994, S. 21). Noch klarer weist Prof. Dr. med. Isaac Marks vom angesehenen Londoner Institute of Psychiatry und Bethlem-Maudsley Hospital auf die vielfältigen Nachteile einer Medikation hin.
Durch die Eigenschaft des Gehirns, Wissen und Erfahrungen zustandsabhängig zu lernen bzw. zu speichern, wird der erstrebte langfristige Kompetenz-Erwerb der Patienten blockiert: "Das heißt, daß Patienten das, was sie unter einer Medikation gelernt haben, nicht in den medikamentenfreien Zustand übertragen können, nachdem die Therapie beendet ist" (Marks, 1994, S. 21). Des weiteren wird der Erwerb von Selbstkontrolle behindert. "Patienten, die ihre Fortschritte [...] auf ihre Medikation zurückführten, hatten hauptsächlich Rückfälle" (ebd.).
Das primäre Ziel der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung der Ängste ist es, die aufrechterhaltenden Bedingungen der Störung zu verändern, d.h. den Teufelskreis von Vermeidungsverhalten und Aufrechterhaltung der Angst zu durchbrechen. In dem aus vier Abschnitten bestehenden Behandlungsablauf wird schrittweise die Bewältigung der angstauslösenden Situationen vorbereitet und durchgeführt.
Nach einer gründlichen diagnostischen und psychotherapeutischen Vorbereitung, in der gemeinsam mit den Betroffenen im ersten Schritt alle erforderlichen Informationen zusammengetragen werden und der organisatorische Therapieablauf geplant wird, wird im zweiten Schritt ein umfassendes Krankheitsmodell, Verständnis der Ursachen und individuellen Zusammenhänge sowie der Therapieprinzipien vermittelt.
Die kognitive Therapie als gründliche und intensive gedankliche bzw. kognitive Vorbereitung und mentale Umstrukturierung der angstbesetzten Problembereiche ist eine unverzichtbare Voraussetzung für den Therapieerfolg. Eine stabile und vertrauensvolle Therapeut-Klient-Beziehung, die zu diesem Zeitpunkt aufgebaut ist, stellt die Grundlage für die selbständige und eigenverantwortliche Entscheidung des Klienten dar, die gemeinsam mit dem Psychotherapeuten in der Phase der kognitiven Vorbereitung für das übende Umlernen erarbeiteten Erkenntnisse in der Praxis des Alltags umzusetzen.
Je nach Spezifik und Schweregrad ihrer Erkrankung lernen die Betroffenen dann mit oder ohne Begleitung durch den Psychotherapeuten im Expositionstraining (Reizkonfrontation) sich direkt ihren angstauslösenden Situationen auszusetzen. Dies erfolgt realitätsnah in der für die Klienten individuell relevanten "natürlichen" Umgebung, z.B. auf der Autobahn, beim Einkaufen, im Restaurant, auf Türmen oder im Flugzeug. Hierbei machen sie die Erfahrung, dass sie innerhalb weniger Tage oder Stunden ohne Flucht oder Vermeidung ihre Angst überwinden und an den bislang gefürchteten Dingen sogar Spaß gewinnen können.
In einer sorgfältigen psychotherapeutischen Nachbereitung werden die sehr intensiven Lernerfahrungen ausgewertet und der Therapieerfolg mit einer effizienten Rückfallprophylaxe dauerhaft gefestigt. Hierbei führen die Klienten ihr Training noch selbständig weiter und vertiefen es. Selbst in schweren Fällen oder bei Klienten, die wenig Zeit haben, genügen nach den vorbereitenden Sitzungen für die Exposition im Block zwei oder drei Tage.
Die meisten Klienten können sich anfangs kaum vorstellen, wie ein derart kurzes Intensiv-Programm wirksam ist. Trotz der scheinbaren Einfachheit des Grundprinzips, sich den angstbesetzten Situationen und Wahrnehmungen auszusetzen, erfordert eine erfolgreiche Behandlung ein beträchtliches Maß an fachlicher Kompetenz und Erfahrung. Ein nicht fachgerechter Behandlungsversuch (z.B. Selbstversuch) kann zur Verstärkung der Angst- und Panikstörung führen! Auch ein Abbrechen der Reizkonfrontation durch den Patienten kann die Angst- und Panikstörung verstärken, weshalb eine solche Behandlung unbedingt in die Hände eines erfahrenen kognitiven Verhaltenstherapeuten oder Psychotherapeuten gehört und nicht von Familienangehörigen oder Selbsthilfegruppen geleistet werden kann. Veränderung und Erfolg werden bei Angst- und Panikstörungen vor allem durch die kognitiv und psychotherapeutisch geführte, überwältigende neue Lern-Erfahrung bewirkt.
Ein Beispiel zeigt das Vorgehen bei der Block-Therapie in einem Fall schwerer Agoraphobie mit drei Tagen Übung (Reizkonfrontation).
Ein 36jähriger Unternehmer litt seit seiner Jugend an einer zunehmenden Agoraphobie und Herzangst, die ihn zuletzt sogar daran hinderte, zum Bäcker um die Ecke zu gehen. Die massivsten Ängste bestanden vor Höhen, Tunnels und vor dem Fliegen (obwohl noch nie geflogen). Nach einer gründlichen Problem- und Psychodiagnostik, kognitiven Therapie und kognitiven Vorbereitung, mentalen Umstrukturierung und Therapieplanung wurde für die Reizkonfrontation ein Drei-Tages-Programm zusammengestellt, das alle wesentlichen Übungssituationen des Klienten beinhaltete: Fahrt zum Fughafen mit separatem PKW, gemeinsames Einchecken mit dem Psychotherapeuten und Flug nach New York, Hotel-Check-In und Übernachtung in New Yorks höchstgelegenem Einzelzimmer, Besteigen der Freiheitsstatue und Essen mit und ohne Psychotherapeuten, Fahrten mit U-Bahn, Bus und Seilbahn, Besuch der Börse an der Wall Street, des World Trade Center mit senkrechtem Blick 420 m tief in die Straßenschluchten, Helikopter-Rundflug über Manhattan zunächst mit und dann ohne Psychotherapeuten, Mietwagentagesrundfahrt nach Philadelphia und Bummel an der Atlantikküste, alleinigem Einkaufen u.s.w.
Trotz anfänglich großer Ängste bewältigte der Klient in einem Block unter psychotherapeutischer Führung alle Situationen und erlangte die erforderlichen eigenen konkreten Erkenntnisse und Erfahrungen, die es ihm ermöglichten, seine Ängste abzulegen. Er veränderte sein Leben grundlegend, unternahm Reisen und hatte zunehmend beruflich Erfolg. Auch in seinem vergleichsweise aufwendigen verhaltenstherapeutischen Vorgehen kostete seine Behandlung nur knapp 10.000,00 DM. Sie dauerte trotz der bereits 15 Jahre bestehenden Erkrankung aufgrund der intensiven Blocktherapie insgesamt nur wenige Wochen. Ohne diese kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung hätte die Angst des Firmeninhabers für sein mittelständisches Unternehmen mit rund 50 Mitarbeitern zerstörerisch werden können.
Natürlich kann auf diese Weise und mit vielen anderen Zielorten ebenso eine Klienten-Gruppe ihre Ängste rasch, dauerhaft und in Anbetracht der Kosten eines unzweckmäßigen mehrmonatigen Klinikaufenthaltes oder vielstündiger Gespräche zum Discountpreis löschen. Aber es muss ja nicht immer New York sein.
Fast alle -Klienten werden durch die intensive kognitive Vorbereitung inzwischen befähigt, ihre Probleme mit geringem Aufwand selbst zu lösen.
Noch immer erstaunen die raschen und anhaltenden Erfolge der kognitiven Verhaltenstherapie bei Angst, Panik, Phobie und Zwangsstörungen die Betroffenen und die Öffentlichkeit. So schrieb zum Beispiel ein Klient, der eine nur 9 Stunden umfassende kognitive Verhaltenstherapie in der Angstambulanz am Institut für Psychotherapie in Stuttgart erhalten hatte:
"Nach einer fast 20jährigen Behandlung von verschiedenen Ärzten bin ich sehr überrascht, daß man eine so simple Sache wie Angst- oder Panikzustände in wenigen Stunden aus der Welt schaffen kann".
Ob diese Ärzte "nach einer fast 20jährigen Behandlung", die wohl eher eine "Misshandlung" zur Ausbeutung des Patienten war, durch dessen unnötiges Leiden ihren Porsche oder ihr Bauherrenmodell abzuzahlen vermochten? Wir werden es nicht erfahren. Tatsache ist, dass bei Angst- und Panikstörungen heute niemand mehr als durchschnittlich 15 Stunden Psychotherapie benötigt, wenn er qualifiziert mit kognitiver Verhaltenstherapie behandelt wird.
Côté, G.; Barlow, D. H. (1993). Effective psychological treatment of panic disorder. In T. R. Giles (Hrsg.), Handbook of effective psychotherapy. New York: Plenum Press, 151-169.
Grawe, K.; Donati, R.; Bernauer, F. (1994). Psychotherapie im Wandel - von der Konfession zur Profession. Göttingen: Hogrefe.
Marks, I. (1994). Behavior therapy as an aid to self-care. Current Directions in Psychological Science, 3, 19-22.
Schulte, D. (1992). Reizkonfrontation: Standardtherapie nur für Standardpatienten? Verhaltenstherapie, 2, 335-338.
Unland, H.; Wittchen, H.-U. (1994). Psychotherapie bei Panikstörungen und Agoraphobie: Sind kognitiv-behaviorale Verfahren wirklich überlegen? Report Psychologie, 19.2, 18-31.