Hinweis der Angstambulanz am Zürichsee SM Rapperswil - Schwyz - St. Gallen - Zürich zum nachfolgenden Text:
Irgendwann im Herbst des Jahres 2001 gab es einen Anruf von FOCUS TV in der Angstambulanz in Stuttgart. Ein Patient von Psychotherapeut , Volker G., wartete gerade auf seine Abschlusssitzung als FOCUS TV um ein Interview bat. Von seinem Psychotherapeuten gefragt, ob er mit einem TV-Interview über seine zehnjährige Therapieerfahrung und seinen Therapieerfolg sogleich beginnen wolle, die Investition in die privat bezahlte Psychotherapie zu amortisieren, willigte Volker G. gern ein.
So kam FOCUS TV am 12.10.2001 zu Besuch in die Angstambulanz nach Stuttgart und es entstand dieses Doppel-Interview mit Patient und Psychotherapeut. Volker G. berichtete der Redakteurin Sabine Kreyssig von FOCUS TV über die Therapieerfahrungen, die er zuvor im deutschen Gesundheitssystem machte und die ihn immer weiter in seine generalisierte Angststörung hineinstiessen, und wie ihn erst die kognitive Verhaltenstherapie bei in nur zehn Stunden erfolgreich aus seiner über zehnjährigen Angsterkrankung mit vielen gescheiterten Karrierebemühungen herausführte. Psychotherapeut erläuterte hierzu die Ursachen, warum das Gesundheitssystem bei psychischen Störungen so wenig hilfreich ist, und zeigte Wege aus Angst- und Panikstörungen auf.
Dieser Bericht über den Besuch und Drehtag von FOCUS TV am 12.10.2001 in der Angstambulanz am Institut für kognitive Psychotherapie in Stuttgart und die Gespräche von FOCUS TV mit Volker G. und seinem Psychotherapeuten wurde parallel mit dem Titel "Terror im Kopf bei Angst und Panik — 'Nach zehn Jahren Angststörung in nur zehn Stunden zum Therapieerfolg'" als redaktioneller Beitrag in der Zeitschrift "PSYCHOTHERAPIE" am 19.12.2001 veröffentlicht.
Psychotherapie, 19.12.2001
Zehn Jahre leiden sie im Durchschnitt,
ruinieren oft ihr Leben und kosten der deutschen Wirtschaft zwischen
50 und 100 Milliarden Euro im Jahr - Menschen mit Angst- und Panikstörungen.
Verantwortung für diese skandalöse Situation tragen Ärzte, die diese
Erkrankung bei ihren Patienten über Jahre verschleppen, obwohl Angst-
und Panikstörungen innerhalb von zehn bis 15 Stunden erfolgreich zu
behandeln sind - ohne Medikamente, nur mit kognitiver Verhaltenstherapie.
Volker G. ist Betroffener - einer von rund 12 Millionen Deutschen. Über
zehn Jahre zerstörte Angst sein Leben - bis er in zehn Stunden Psychotherapie
den Weg aus der Angst fand. Im Gespräch mit FOCUS TV schilderte er seine
leidvolle Erfahrung mit dem ganz normalen Horror im deutschen Gesundheitssystem.
Es war seine Abschlusssitzung in der Angstambulanz als FOCUS TV
beim Institut für Psychotherapie in Stuttgart für einen Beitrag
zum Thema "Angst" anfragte. Volker G., 26, litt bereits seit
über zehn Jahren unter einer Angst- und Panikstörung, die seine Bewegungs-
und Handlungsfähigkeit zunehmend eingeschränkt und ihn um viele Entwicklungs-
und Karrierechancen gebracht hatte. Nur rund 1.500 Euro kostete seine
kognitive Verhaltenstherapie, die ihn zu "spürbaren Veränderungen"
führte und ihm seine Bewegungs- und Handlungsfähigkeit zurückgab.
G. war gern bereit, über die Entwicklung seiner Angst und die vorausgegangenen
vergeblichen Therapieversuche zu berichten, um anderen Menschen mit
Angst- und Panikstörungen eine ähnliche Leidensgeschichte zu ersparen.
Im Interview mit der Redakteurin Sabine Kreyssig von FOCUS TV berichtete
er am 12. Oktober 2001 über seine erfolgreiche Psychotherapie bei Diplom-Psychologe
und Psychotherapeut und seine vorausgegangene jahrzehntelange
Angst- und Panik-"Karriere", die ihm bei besserer Aufklärung
erspart geblieben wäre.
Volker G.: "Erst seit etwas mehr als einem Vierteljahr kenne
ich die genaue Bezeichnung einer Erkrankung, die mein Leben mehr als
ein Jahrzehnt beeinflusste und nachhaltig bestimmte: Angst- und Panikstörung."
"Nur durch einen glücklichen Zufall fiel mir in einer Buchhandlung
ein Fachbuch zu diesem Thema in die Hände. Kein Arzt hatte in all den
Jahren diese Erkrankung erkannt - und ich war weiß Gott oft genug beim
Hausarzt, Neurologen, Internisten, Psychotherapeuten [...]"
"Ausgelöst durch Atembeschwerden infolge einer Pollenallergie,
entwickelte ich während der Pubertät eine panische Angst vor einem möglichen
Asthma-Anfall. Diese Erstickungsangst trat fortan immer öfter in neuen,
ungewohnten Lebenslagen auf. Mit den sich verstärkenden Symptomen der
Angststörung wuchs die Angst vor dem nächsten Angstanfall, die so genannte
'Angst vor der Angst'."
"Inzwischen sind seit meinem
Abitur sechs Jahre vergangen. Der Preis für diese Erkrankung: ein abgebrochenes
Hochschulstudium und zwei nie angetretene Studienplätze bei den später
folgenden Versuchen, die Angst dennoch zu überwinden [...]"
"Diese 'Einschnitte' in meinem Leben, standen letztendlich
alle in engem Zusammenhang mit der Angst vor Panikattacken, vor dem
Leben in Großstädten und vor dem Kontakt mit Menschen, welche meine
Probleme mit der Angst nicht kannten oder verstanden."
"Nach
dem erfolgreichen Abschluss einer kaufmännischen Lehre im vergangenen
Jahr entschied ich mich, noch einmal ein Studium zu beginnen. Leider
flammten die längst überwunden geglaubten Ängste erneut auf."
"Mein Hausarzt redete mir (wie schon so oft) gut zu, verschrieb
mir ein 'modernes Angst lösendes Medikament' und empfahl mir den Studienplatz
anzutreten. Letzteres war in punkto Angstkonfrontation nicht einmal
so falsch, nach der jahrelangen Angstkarriere aber ein völlig untauglicher
Rat. Der Neurologe sagte mir (wie schon vor sechs Jahren), ich wäre
kerngesund, bräuchte keine Medikamente und solle mir am Studienort 'schleunigst
eine neue Freundin' suchen, dann ergäbe sich alles wie von selbst!!!"
"Meine bittere Erkenntnis: Scheinbar braucht man in Deutschland
nur eine kurze wissenschaftliche Abhandlung über den aktuellen Stand
in der Angst- und Panikforschung zu lesen, und schon weiß man mehr über
die Erkrankung und die Behandlungsmethoden als ein Hausarzt oder ein
Neurologe mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung!"
"Die
Suche nach einem geeigneten Angsttherapeuten erwies sich schließlich
schwieriger als angenommen. Eine brauchbare ambulante oder stationäre
Kurzzeittherapie scheint es für gesetzlich Versicherte kaum zu geben
- zumindest wohl nicht auf Krankenschein. Niedergelassene Psychotherapeuten
fragen am Telefon sofort 'Privat oder Kasse?' und haben für Kassenpatienten
erst nach Monaten einen Termin frei. Zwei von mir aufgesuchte 'Verhaltenstherapeuten'
arbeiteten ohne erkennbares Konzept bei Angstpatienten. Bei einem schien
man erst Hilfe zu bekommen, wenn man nach fünf Stunden 'Kassen-Stammkunde'
war, d.h. wenn die Krankenkasse eine Therapie exklusiv bei ihm genehmigt
hat [...]"
"Ich war in schlechter psychischer und körperlicher
Verfassung, als ich mich im Juli 2001 an Herrn wandte. Die
Angst war nun fast permanent vorhanden, ich fuhr kaum noch allein mit
dem Pkw, das Fahren auf der Autobahn war für mich unmöglich. Zu diesem
Zeitpunkt war ich extrem neurotisch und depressiv. Ich fühlte mich weder
im Stande, mein Studium zu beginnen, noch mir einen Arbeitsplatz zu
suchen."
"Es ging sogar so weit, dass ich einfachste
Tätigkeiten wie das Schreiben einer E-Mail nicht mehr ausführen konnte,
da ich mir nicht mehr zutraute, einigermaßen gutes und fehlerfreies
Deutsch zu schreiben!!! Diese 'Schreibblockade' wurde beim Einstieg
in die kognitive Psychotherapie bei Herrn erfolgreich 'gelöst'."
"Danach benötigte ich noch etwa zehn Therapiestunden, in denen
mir Herr die Instrumente zur Veränderung meiner selbstzerstörerischen
Denk- und Verhaltensweisen vermittelte. Die ersten Erfolge stellten
sich bald ein: Zu Beginn der Behandlung fuhr ich zum Beispiel noch mit
dem Zug nach Stuttgart, schon nach wenigen Therapiestunden bewältigte
ich diese Strecke mit dem Auto - allein."
"Nach Abschluss
der kognitiven Psychotherapie an der Angstambulanz kann ich sagen,
dass ich in wenigen Stunden ein Wissen gewonnen habe, das meinen Blick
auf das Leben und den Umgang mit Angst verändert. Ich werde noch eine
gewisse Zeit benötigen, um mein eingeschliffenes Denken und Verhalten
in verschiedenen Lebensbereichen zu verändern. Das Wichtigste ist jedoch,
dass ich ein neues Verhältnis zu meiner Angst bekommen habe - und das
war sofort 'spürbar'!"
Volker G. mit seiner jahrzehntelangen Angst- und Panikstörung ist
ein typischer Fall der Stuttgarter Angstambulanz. Typisch ist das vermeidbare
Leid, typisch sind die vermeidbaren Kosten und typisch ist der äußerst
geringe Therapieaufwand, um Leid und Kosten zu beenden. G. weiß, dass
er das in den wenigen Stunden Erlernte noch zu festigen haben wird.
In ein paar Wochen kann er dann die in vielen Jahren eingeübten falschen
Denkmuster und Verhaltensweisen abgestreift haben. Ob seine Krankenversicherung
die vergleichsweise geringen Kosten für die ambulante kognitive Psychotherapie
erstattet, ist ungewiss. Die "Wahnsinnsbeträge" für ärztliche
Diagnostik, Medikamente und Klinikaufenthalte hingegen werden bezahlt
- eine groteske Situation in einem kranken Gesundheitssystem.
"Vor dem Hintergrund, dass ich wegen meiner seit Jahrzehnten
bestehenden Angststörung andernorts bereits rund 30.000 DM ohne Erfolg
gezahlt habe, hätte ich mir gewünscht, früher den Weg zu Herrn
gefunden zu haben", schreibt ein anderer Klient am 16. Oktober
2001. Psychotherapeut hat eine Kopie dieses Briefes an die
Krankenkasse erhalten, mit dem der Klient um die Erstattung von "8
Sitzungen bei Herrn " bittet: "Die Therapie hat sich
gelohnt und bereits mein Leben positiv verändert. Hierüber möchte ich
Sie informieren. Vielen Dank", heißt es in dem Schreiben.
, zu dessen Klienten Manager ebenso gehören wie Studenten,
deckt den Namen des Absenders auf dem Brief sorgfältig ab. "Die
Schweigepflicht ist unser höchstes Gut und begrenzt unsere möglichen
Referenzen." Er nennt es einen Skandal für das deutsche Gesundheitssystem,
dass psychische Störungen von Ärzten aus Unkenntnis und Geldgier überwiegend
falsch behandelt werden und die Krankenversicherungen enorme Beträge
für unsinnige Psychoanalysen und überflüssige psychosomatische Kliniken
verschleudern.
Hilfesuchende am Institut für Psychotherapie,
die privat versichert oder freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen
Krankenkasse sind, haben bei ihrer Krankenversicherung in der Regel
einen Rechtsanspruch auf die Erstattung der Kosten für die effektive
kognitive Psychotherapie. Pflichtversicherte der gesetzlichen Krankenkassen
werden das -Programm hingegen oft aus der eigenen Tasche zu bezahlen
haben - oder weiter im kranken Gesundheitssystem leiden. "Die Gesundheitspolitik
hat hier völlig versagt. Angesichts der unvorstellbaren Korruption und
Fehlbehandlung, die im Medizinbetrieb im allgemeinen und bei der Psychotherapie
im besonderen zu beobachten sind, kommt den Medien eine besondere Rolle
bei der Aufklärung zu", sagt - und wendet sich den Online-Anmeldungen
am Institut für Psychotherapie zu: "Wenigstens diesen Menschen
können wir helfen."
Die Fragen stellte Sabine Kreyssig von der Redaktion FOCUS TV an
, Diplom-Psychologe, Psychotherapeut und Leiter der
Angstambulanz am Institut für Psychotherapie, Stuttgart.
Sabine Kreyssig: Was genau ist Angst, gibt es eine Definition?
: Als Angst wird ein als unangenehm empfundener
Gefühlszustand bezeichnet, der Gefahr oder Bedrohung signalisiert. Eine
Angststörung entsteht, wenn man sich im Umgang mit den Erregungszuständen
des eigenen Körpers nicht in zweckmäßiger Weise seines Verstandes bedient,
sondern sich von Gefühlen leiten läßt. Deshalb sind die erfolgreichsten
Instrumente zur Behebung von Angststörungen jene der kognitiven Verhaltenstherapie.
Sie setzen an der Kognition, dem Denken, an und beheben jene Denkfehler,
die zur Angst und ihren vielfältigen Störungen führen.
Ein beträchtlicher
Teil der Arbeitnehmer hat zum Beispiel Angst um den Arbeitsplatz. Millionen
fürchten sich vor dem Mobbing durch Kollegen oder Vorgesetzte. Auch
private Lebensumstände wie Probleme mit der Familie, Krankheit oder
andere Lebensrisiken können Angst erzeugen. Die Medien der Informationsgesellschaft
füttern und schärfen mit ihrer Berichterstattung häufig die Wahrnehmung
für diese realen und vermeintlichen Gefahren und Bedrohungen. Das individuelle
Bewusstsein für Existenz- und Lebensrisiken, das hierdurch vermittelt
wird, kann zunehmend verzerrt und übersteigert werden und zu andauernder
unterschwelliger Angst führen. Immer mehr Menschen geraten durch diese
latente Angst in einen Zustand chronischer Anspannung, der über viele
Jahre die körperliche und psychische Leistungsfähigkeit aushöhlt.
Im weiteren Sinne werden unter dem Begriff Angst oft auch jene Angstzustände
verstanden, die Krankheitswert besitzen. Viele Menschen vermögen am
Beginn einer Angststörung allerdings die resultierenden körperlichen
Symptome nicht als Ausdruck einer zwar krankhaften, aber psychotherapeutisch
leicht behandelbaren Angst erkennen. Durch ihre Fixierung auf die Organmedizin
und die in Deutschland ausgeprägte Scheu vor der Inanspruchnahme von
Psychotherapeuten verschleppen sie ihre phobische Erkrankung, ihre Angst-
und Panikstörung oft über viele Jahre.
Wie unterschiedlich
äußern sich Angstzustände, welches sind die Symptome?
:
Oft entsteht Angst aus der Wiederholung unangenehmer körperlicher Befindlichkeiten,
die Betroffene bei sich wahrnehmen. Die körperlichen Symptome reichen
hierbei von Anspannung über Schwindelanfälle und Zittern bis zum Schweißausbruch,
Herzrasen und Atemnot bei einer Panikattacke. In aller Regel werden
diese Symptome jedoch nicht mit Angst in Verbindung gebracht. Die wahrgenommenen
Körperreaktionen werden mit scheinbar natürlichen Ursachen erklärt:
mit Überanstrengung, mit zuviel Kaffee oder einer zu geringen oder weit
zurück liegenden Mahlzeit, mit banalem Ärger oder schlicht dem alltäglichen
Stress. Dass sich hierbei das auf diese Befindlichkeitsänderungen und
Körpersymptome bezogene Denken ändert, wird regelmäßig mangels Wissen
nicht wahrgenommen. So entwickelt sich unbemerkt eine phobische und
angstbesetzte Beobachtung und Wahrnehmung sowohl des eigenen Körpers
als auch der Umgebung. Die typische Entwicklung einer Angststörung beginnt
damit, dass sich in bestimmten Situationen oder in einem spezifischen
Kontext die angstbesetzten Wahrnehmungen und die Symptome wechselseitig
verstärken.
Welche Stadien gibt es von leichten Angstzuständen
bis hin zu Panikattacken?
: Das Spektrum ist bei
Angst- und Panikstörungen so breit und vielgestaltig, dass es das gewöhnliche
Vorstellungsvermögen sprengt. Für Ängste gibt es deshalb keine sinnvolle
Skala wie jene von Saffir-Simpson, die Hurrikane kategorisiert, oder
jene von Charles Richter, mit der die Intensität von Erdbeben klassifiziert
wird. Die Übergänge von leichten Angstzuständen bis zu Panikattacken
sind fließend und werden oft von Faktoren bestimmt, die auf den ersten
Blick nicht erkennbar sind, aber entscheidend zu unterschiedlichen Ergebnissen
führen. Die konkrete Ausprägung einer Angst wird beispielsweise beeinflußt
von der den Betroffenen regelmäßig nicht bewußten Art und Weise ihres
phobischen Denkens, ihres Fühlens und ihres Verhaltens. Dazu zählt typischerweise
das Vermeidungsverhalten, das sich je nach konkreter Problemsituation
mehr oder weniger ausgeprägt entwickeln kann. Betrachten wir zwei Beispiele,
um die Spannbreite phobischer Entwicklungen zu illustrieren:
Beispiel eins sei eine feinfühlige und sensible Frau, eine Wissenschaftlerin,
die seit Jahren zufriedenstellend ihrem Beruf bei demselben Arbeitgeber
nachgeht und in ihre aktuelle Führungsposition als Laborleiterin mit
einem mittelgroßen Team organisch hineingewachsen ist. Wenn diese Frau
in ihrer Vorgesetztenrolle nun von jüngeren Mitarbeitern zunehmend mehr
und mehr kritisch und respektlos angegangen oder abgelehnt wird, so
kann es ihr über eine sehr lange Zeit gelingen, den unangenehmen Situationen
aus dem Weg zu gehen, sie zu vermeiden. Gleichwohl wird sich dadurch
die Anspannung und der latente Stress bei ihr wahrscheinlich kontinuierlich
erhöhen. Es werden erste körperliche Stressfolgesysmptome hinzutreten.
So entwickelt sich allmählich - vielleicht über Jahre - eine Angst vor
dem Versagen, eine Angst vor Kritik und Ablehnung, die nicht nur zu
Erschöpfung, sondern irgendwann bei einem auslösenden Belastungsereignis
zum körperlichen Zusammenbruch führt. Ob mit oder ohne begleitende Panikreaktion,
das wird dabei kaum einen Unterschied machen. Der Weg zum Hausarzt wird
wahrscheinlich zur stationären Einweisung in eine Klinik führen - mit
der wahrscheinlichen Diagnose einer Depression. Tatsächlich steht hinter
dem Geschehen eine kaschierte Angstentwicklung mit "leichten Angstzuständen",
die als solche überhaupt nicht erkannt wurden, die aber in der Konsequenz
die körperlichen und psychischen Ressourcen dieser Frau fast vollständig
aufgebraucht haben. Eine solche Klientin aus diesem desolaten Endzustand
eines langdauernden Stadiums "leichter Angst" herauszuführen
erfordert, das über lange Jahre tief eingeschliffene phobische Denken
zu beheben und die resultierende tiefgehende Erschöpfung zu überwinden.
Betrachten wir als zweites Beispiel den Fall einer ebenso feinfühligen
und sensiblen jungen Frau, die bei einer beliebigen Gelegenheit zuviel
schwarzen Tee getrunken hat, der in der Folge stärker auf ihre Harnblase
drückt als ihr angenehm ist. Diese Mißlichkeit trifft die Frau in einer
Situation mit anderen Menschen, in der sie sich nicht erleichtern kann.
Je stärker der Druck in ihrer Harnblase wird, umso mehr steigt ihre
Anspannung und umso größer wird ihre Besorgnis, sich einer großen Peinlichkeit
ausgesetzt zu sehen, wenn sie die Kontrolle über sich oder über ihre
Harnblase verliert. Dann werden vermutlich Gedanken wie "O mein
Gott" oder "Hoffentlich schaffe ich es noch" bei ihr
auftreten, ihr Vorstellungsvermögen wird in Horrorfantasien vom eigenen
Kontrollverlust ertrinken und schließlich werden diese Gedanken und
Bilder beginnen, in ihrem Hirn zu rotieren - bis sie richtiggehend durch
alle Nervenzellen ihres Körpers rasen. Sie wird zunehmend verkrampfen,
stoßweise atmen, Gänsehaut oder Schweißausbrüche bekommen und zu zittern
beginnen. Hitzewallungen werden durch ihren Körper jagen und sie wird
das Empfinden haben, jederzeit ohnmächtig werden zu können. Obwohl die
Frau ihren Zustand vor anderen vielleicht zu verbergen vermag, können
wir ihn Panik nennen. Wichtig an diesem Beispiel ist, dass dieses Panik-Erlebnis
sich im Gedächtnis der jungen Frau emotional so fest eingebrannt hat,
dass sie später bereits bei der winzigsten Wahrnehmung ihrer Harnblase
von der Angst vor dem Einpinkeln ergriffen wird und ihr Denken sich
auf die Suche nach einer Toilette auszurichten beginnt. Da die Harnblase
vom Gehirn gesteuert wird, wirkt diese Besorgnis, sich in die Hose zu
machen, als gedanklicher Stressor wiederum aktivierend auf die Blase
und führt in der Folge zu einem sich selbst verstärkenden Prozess der
Angstentwicklung. Kino- oder Theaterbesuche werden schwierig oder unmöglich,
das Bewegen in der Öffentlichkeit, zum Beispiel die Benutzung von Bus
und Bahn, das Einkaufen und Spazierengehen, wird komplizierter. In ihrer
Angst, es nicht bis zur nächsten Toilette zu schaffen, wird sie alle
Gelegenheiten am Wege nutzen, rein vorsorglich eine Toilette aufzusuchen.
Sie wird schließlich ausgefeilte Bewegungsmuster entwickeln, sich in
der Öffentlichkeit von Toilette zu Toilette zu "hangeln".
Wenn Sie Glück hat, wird dieses Verhalten ihren Partner so zu nerven
beginnen, dass sie veranlaßt wird, zu uns zu kommen. Dann ist diese
beginnende Angstentwicklung im Ansatz gestoppt. Wenn sie weniger Glück
oder keinen Partner hat, werden ihre Gedanken, die sich auf die Suche
nach einer Toilette und das Vermeiden potentiell problematischer Situationen
richten, wahrscheinlich immer größeren Raum einnehmen und die junge
Frau unmerklich in eine Angstentwicklung hineintreiben, die ihr Leben
mehr und mehr einschränkt.
Am Ende eines solchen phobischen Geschehens,
das mit tausenderlei Angstinhalten ausgefüllt sein kann, stehen nicht
selten der Karriereknick oder gar der Verlust der Arbeitsstelle, Verlust
von Freunden und die soziale Isolation. Die Beispiele verdeutlichen,
dass Angstkarrieren sich über eine lange Zeit völlig unbemerkt entwickeln
können bis es überhaupt zur sichtbaren Angst-Eruption oder zum ersten
Panikanfall kommt. Angstkarrieren können aber auch - wie im zweiten
Beispiel - mit einer mehr oder weniger zufälligen und banalen Angstattacke
starten und dann in ein langjähriges Entwicklungsstadium einer chronischen
Angst eintreten. Hinzu kommen noch jene Menschen, die - wie bei der
sozialen Phobie - ihre Angst schon in der frühesten Kindheit gelernt
und verinnerlicht haben. Wir sehen daran: Angst ist immer höchst individuell
und meistens sehr komplex.
Wann sollte ein Patient in Behandlung
gehen?
: So rasch wie möglich natürlich. Der ganze
Jammer ist, dass fast alle Leistungsanbieter im Gesundheitswesen, an
die ein Patient mit einer Angststörung geraten kann, an dem bunten Symptomspektrum
der Angst ihre Leistungspalette abarbeiten werden. Die beiden geschilderten
Beispiele bieten diesbezüglich höchstes Verwertungspotential. Wenn die
junge Frau, die lediglich Angst vor dem Einnässen gelernt hat, ohne
sich ihre Hose jemals wirklich nass gemacht zu haben, mit ihrem vermeintlichen
Blasenproblem an einen Urologen gerät, der ihr eine nervöse Blase oder
Reizblase attestiert, sie als Dauerpatientin einfängt und ihr dann mit
der verschärften Diagnose einer überaktiven Blase oder Dranginkontinenz
eine medikamentöse und chirurgische Behandlung andient, wird aus ein
paar Denkfehlern nach ein paar Tassen schwarzem Tee leicht ein ruiniertes
Leben. Nach der Statistik ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese
junge Frau ihre zwar objektiv leicht behebbare Angst, die nunmehr fälschlich
als ein körperlicher Fehler mißverstanden und ärztlich bestätigt wurde,
im medizinisch-pharmazeutischen Komplex für eine lange Zeit pflegen
und falsch behandeln lassen wird. Auch unser Patient Volker G. hat dies,
wenngleich mit einem anderem Angstinhalt, als seine eigene leidvolle
Erfahrung geschildert.
Es gibt diese trefflichen Worte des deutschen
Lyrikers Eugen Roth: "Was bringt den Doktor um sein Brot? a - die
Gesundheit, b - der Tod. Drum hält der Arzt, auf dass er lebe, uns zwischen
beiden in der Schwebe." Das ist leider näher an der Wirklichkeit
als wir glauben wollen. Die mittlere Therapiedauer in Deutschland beträgt
für Verhaltenstherapie über 40 Stunden, für tiefenpsychologisch orientierte
Psychotherapie über 70 Stunden und für analytische Psychotherapie über
120 Stunden. Vor Jahren fragte mich deshalb eine Patientin: "Herr
, wie können Sie von Psychotherapie leben, wenn Sie pro Patient
nur zehn Stunden brauchen?" Das war eine kluge Frage. Intelligente
Patienten wissen um die wirtschaftlichen Interessen der Ärzte- und Pharma-Mafia
und hinterfragen vieles kritisch. Das hilft, die Suche nach dem Behandlungserfolg
zu verkürzen. Grundsätzlich ist festzustellen: Je rascher eine Entwicklung
eskaliert, umso früher wird sie als Problem wahrgenommen und Hilfe gesucht.
Eine frühzeitige Behandlung erhält ihren Wert jedoch nur dann, wenn
sie gleichzeitig auch die richtige Behandlung ist.
Wie kann
eine Behandlung aussehen? Gibt es Unterschiede aus den verschiedenen
Bereichen, z.B. kognitive Therapie, Medikamente, Sport?
:
Die nach dem Stand der Wissenschaft nachweislich beste Therapie bei
Angst- und Panikstörungen, Phobien und Depressionen ist eine kognitive
Psychotherapie. Sehr gute Psychotherapeuten führen ihre Patienten inzwischen
mit ausschließlich kognitiver Arbeit zum Therapieziel. Das heißt, die
von den Psychotherapeuten begleiteten Übungsanteile, die in der Verhaltenstherapie
bei Angst- und Panikstörungen sowie Zwängen früher typisch waren, können
heute oft entfallen. Die Patienten werden mit kognitiver Therapie befähigt,
den Übungsteil jeder Psychotherapie, das übende Umlernen in ihrem Denken
und Verhalten im Alltag, in der Familie und im Beruf allein zu verwirklichen.
Das senkt die Therapiekosten erheblich.
Zu Medikamenten gibt
es eine ganz klare Antwort: Psychoaktive Medikamente haben in einer
sauberen kognitiven Psychotherapie und Verhaltenstherapie der Angst
nichts zu suchen. Sie beeinträchtigen die kognitiv-therapeutische Wirkung
nachhaltig oder heben sie am Ende sogar komplett auf. Das gilt für alle
psychoaktiven Substanzen einschließlich solcher, die angstlösend, beruhigend
oder antidepressiv wirken. Hilfesuchende sollten sich bei der Angstbehandlung
nicht mit Psychopharmaka betrügen oder betrügen lassen. Die mentale
Schadwirkung angstlösender Medikamente ist immens und wird absolut unterschätzt.
Sport ist im eigentlichen Sinne kein Instrument im psychotherapeutischen
Inventar. Aber Sport ist, wie wir wissen, nicht nur gesund, sondern
auch eine hilfreiche Ergänzung bei der Rückführung der Anspannung, die
bei Menschen mit Ängsten häufig erhöht ist. Und überdies ist wissenschaftlich
nachgewiesen, dass Sport oft ein besseres und langfristig wirksameres
Antidepressivum ist als jenes aus der Apotheke.
Wie viele
Menschen leiden unter generalisierter Angst?
: Speziell
unter jener Form der generalisierten Angst im Sinne der "Internationalen
statistischen Klassifikation der Krankheiten", die Volker G. schilderte,
leiden in ihrem Lebensverlauf rund vier Prozent der Menschen. Das sind,
konservativ geschätzt, über drei Millionen Deutsche. Bezieht man hingegen
alle Angststörungen in die Betrachtung ein, so sind es in Deutschland,
wiederum konservativ geschätzt, mindestens zehn Millionen überwiegend
jüngere Menschen, deren Leben von Angst in klinisch behandlungsbedürftiger
Ausprägung beeinträchtigt wird.
Worin liegt die Schwierigkeit,
Angstpatienten zu erkennen?
: Angstpatienten haben
eine primär psychische Störung, die sich jedoch hauptsächlich in körperlichen
Symptomen äußert. Hieraus resultiert eine allgemeine und eine besondere
Schwierigkeit. Die erste und allgemeine Schwierigkeit besteht für Betroffene
darin, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Abwertung psychischer
Probleme, den Gedanken an eine psychische Störung überhaupt zuzulassen.
Die Vorstellung, psychisch krank zu sein, wird ungerechtfertigt oft
mit Verrücktsein verknüpft. Folglich wird diese Möglichkeit empört zurückgewiesen
oder entsetzt verdrängt. Dass viele psychische Störungen bei richtiger
Behandlung leichter und rascher zu beheben sind als viele körperliche
Störungen, ist hingegen weithin unbekannt.
Die besondere Schwierigkeit
besteht zudem darin, die konkrete Angst als solche in den Patienten
zu erkennen. Die Betroffenen selbst sehen regelmäßig nur ihre körperlichen
Symptome. Sie sprechen davon, sich dauernd angespannt und unwohl zu
fühlen, nicht mehr richtig frei einatmen und ausatmen zu können, Schwindelanfälle
zu haben bis hin zum Gefühl, in Ohnmacht zu fallen, ihr Herz deutlicher
oder schneller pochen zu fühlen bis hin zu plötzlichem Herzrasen, vermehrt
zu schwitzen, zu erröten oder unter Hitzewallungen zu leiden, ein Gefühl
von Taubheit und Kribbeln in den Fingern und Zehen zu spüren, schlecht
zu schlafen und Alpträume zu haben, rascher zu erschöpfen und müde zu
sein und bei alledem Stress vielleicht auch noch von verschiedenen anderen
Beschwerden wie Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen gepeinigt zu werden.
Kein Patient kommt für gewöhnlich daher und sagt, er mache sich ängstliche
Gedanken.
Gibt es etwas ähnliches wie ein "Angst-Test",
damit Patienten besser erkannt werden können?
: Gewiß.
Psychologen haben für vieles Tests entwickelt, die zuweilen sogar das
messen, was zu messen sie behaupten. Das Problem ist ein anderes: Der
Patient, der selbst überhaupt nicht auf die Vermutung kommt, er könne
an einer Angststörung leiden, wird einen "Angst-Test" nicht
nutzen können. Und die Leistungserbringer im Gesundheitswesen, denen
eine saubere Angst-Diagnose mit effizienter kognitiver Kurzzeitpsychotherapie
den Umsatz und Gewinn drastisch schmälert, werden einen "Angst-Test"
nicht nutzen wollen.
Wer unter Ihren Zuschauern oder Lesern von
den hier aufgezählten Körpersymptomen mindestens die Hälfte bei sich
vorfindet und bei ehrlicher Selbstbeschau auch seine ängstlichen Gedanken
und die Furcht vor Kontrollverlust bei sich wahrnimmt, braucht keinen "Angst-Test"
mehr. Da wuchert die Angst mutmaßlich schon.
Wie viele Patienten
werden nicht erkannt?
: Wir wissen aus entsprechenden
Untersuchungen, dass der absolut überwiegende Teil von Angsterkrankungen
nicht rechtzeitig erkannt wird. Hieraus resultieren Millionen individuelle
Tragödien von Menschen, die ihre Angst daran hindert, ihr Leben frei
zu leben und sich zu entfalten. Besonders tragische Folgen hat die Fehlannahme,
bei dieser Erkrankung Hilfe von Ärzten zu erhalten. Nicht nur tragisch,
sondern auch bitter ist diese Feststellung, weil Angsterkrankungen überwiegend
in jungen Jahren beginnen und ohne Behandlung zumeist chronisch verlaufen.
In ihrem jahre- und jahrzehntelangen Leidensverlauf füttern Betroffene
mit der aus ihrer chronischen Angststörung resultierenden Inanspruchnahme
medizinischer Dienstleistungen ungewollt das Medizin-Kartell. Im Extremfall
steht am Ende solcher langen Angstkarrieren die Invalidisierung.
Eine sehr repräsentative und unlängst von der Technischen Universität
Dresden vorgestellte Studie mit über 20.000 Patienten und über 500 Arztpraxen
zeigte im Ergebnis auf, dass zwei Drittel der generalisierten Angsterkrankungen
von den Hausärzten überhaupt nicht erkannt wurden. Das restliche Drittel
wurde fast ausschließlich falsch behandelt. Bei der Beurteilung dieser
erschütternden Ergebnisse ist der praktizierte Eigennutz der Ärzte zu
berücksichtigen. Patienten mit Angst, Panik oder einer Phobie stellen
aufgrund ihrer reichhaltigen körperlichen Symptomatik, man kann das
nicht oft genug betonen, eine Einladung zum langjährigen üppigen Geldverdienen
dar, der viele Ärzte nicht widerstehen können.
Auch gesellschaftlich
kommt dies einer Tragödie gleich: Ängste, Panikstörungen und Phobien
sind durch kognitive Verhaltenstherapie heute regelhaft innerhalb von
weniger als 15 Stunden mit anhaltendem Erfolg behandelbar. Gleichwohl
gelangen die Erkrankten im Durchschnitt erst nach sieben bis zehn Jahren
zu einem geeigneten Psychotherapeuten.
Eine andere Studie der
Fachhochschule Köln ermittelte gigantische Verluste, die allein der
deutschen Wirtschaft durch die Angst ihrer Mitarbeiter entstehen. Es
sind 50 bis 100 Milliarden Euro, die Angst und Angststörungen pro Jahr
an Kosten bzw. Schaden verursachen. Das ist ein Wertschöpfungspotential,
das der Volkswirtschaft durch betriebliche Prävention und geeignete
Therapieangebote großenteils erhalten bleiben könnte!
Kann
jeder krank vor Angst werden?
: Ja, vorausgesetzt,
der Betreffende begeht in Verbindung mit dem Vorliegen von Stress eine
Reihe von typischen Denkfehlern, die die Entwicklung einer Angst- und
Panikstörung oder Phobie fördern.
Wie hoch ist das Risiko
einer Fehlbehandlung?
: Nimmt man die erwähnte Studie
der Technischen Universität Dresden mit über 20.000 Patienten als Grundlage,
so muß es eher als ein seltener Glücksfall betrachtet werden, mit einer
Angsterkrankung nicht fehlbehandelt zu werden.
Angst, Depression,
Trauma - wo liegen die Unterschiede, gibt es Zusammenhänge?
: Diagnostisch kann man zwischen Angst, Depression, Burnout
und Trauma unterscheiden. Das sind spezifische Gewichtungen, die für
die Statistik, die Verwaltung und die Kostenerstattung bedeutsam sind.
In therapeutischer Hinsicht ist es dagegen von größerer Bedeutung das
individuelle Geflecht von Ursache und Wirkung, von Denken, Fühlen und
Verhalten in seiner ganzen Komplexität zu erfassen. Im gewöhnlichen
Alltag sind Ängste, Depression, Trauma und Erschöpfung häufig sehr stark
miteinander verwoben. Ich erinnere an das erste Beispiel mit der Laborleiterin,
die sich vor der Kritik in ihrem Team fürchtete. In unserem Beispiel
ist ihr das diagnostische Etikett einer Depression angeheftet worden.
Doch tatsächlich haben zu ihrem Zusammenbruch gesamtheitlich vielmehr
wesentlich die Angst und die aus dem Kampf gegen die Angst entstandene
Erschöpfung sowie vielleicht angstfördernde Einflüsse in der Biografie
beigetragen. Dieses individuelle Wirkungsgefüge aufzudecken und für
die Betroffenen beherrschbar zu machen, ist der Kernbestandteil einer
guten Psychotherapie.
In der klinischen Praxis hingegen wird
die Diagnose häufig mit Blick auf das Verwertungspotential gewählt.
Im Beispiel der Laborleiterin wird mit der Klinikeinweisung unter der
Diagnose Depression typischerweise die Verabreichung einer starken,
aber nicht essentiell notwendigen Medikation einhergehen, die die geistige
Wachheit und das Denkvermögen heftig eintrüben. Obwohl ihr Zusammenbruch
wesentlich durch ihre Erschöpfung zustande kam, wird die Laborleiterin,
die sich unter den Medikamenten nunmehr erstmals auch als geistig weggetreten
erlebt, auf diese Weise leicht zu überzeugen sein, dass sie eine schwere
psychische Erkrankung hat, die einer sehr langwierigen Behandlung bedarf.
Der von Ihnen erfragte Zusammenhang zwischen Angst, Depression und Trauma
würde sich in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Technischen Universität
Dresden in unserem Beispiel wahrscheinlich so darstellen, dass die ursächliche
kleine Angst langfristig zur Erschöpfung führt, die klinisch als schwere
Depression fehldiagnostiziert wird und dann erst durch die Krankenhausbehandlung
ein nachhaltiges Trauma verursacht, welches die Laborleiterin bis zu
ihrer völlig unnötigen Invalidisierung einer maximalen Verwertung im
medizinisch-pharmazeutischen Komplex ausliefert. Es ist die Behandlungserfahrung,
die oft traumatisiert. Das ist der geradezu klassische Zusammenhang
zwischen Angst, Depression und Trauma, der das kranke Gesundheitswesen
prächtig nährt.
Gibt es Menschen, die durch die Terroranschläge
Angstzustände bekommen?
: Selbstverständlich. Sie
können vor allem Angst bekommen, wenn sie in entsprechend selbstschädigender
Weise über die Dinge zu denken beginnen. Ich war im Jahr 1993 mit einem
Patienten selbst auf der Aussichtsplattform des World Trade Center in
New York. Der Terroranschlag hat mich betroffen gemacht. Aber er hat
mir keine Angst gemacht. Terroranschläge und Selbstmordattentäter sind
seit der Antike bekannte Mittel der asymmetrischen Kriegsführung. Menschen,
die sich durch Terroristen ihre Freiheit nehmen und in Angst und Panik
treiben lassen, verdienen ihre Freiheit nicht.
Müssen diese
Angstzustände behandelt werden oder gibt sich das wieder von selbst?
: Wenn eine Gesellschaft in den Terror gleitet, gleich ob
dessen Quelle außen, innen oder in der eigenen Regierung ist, hat sie
sehr viel größere Probleme als die Behandlung individueller Angstzustände.
Man muss das realistisch sehen: Wenn es der Regierung von Nutzen ist,
Angst bei ihren Bürgern zu erzeugen, dann wird sie kaum wirklich wollen,
dass diese Angstzustände erfolgreich behandelt werden.
Gibt
es eine rechtzeitige Vorsorge, um erst gar nicht krank vor Angst zu
werden?
: Ja, natürlich. Im Einklang mit der eigenen
und der umgebenden Natur gesund und glücklich leben, und zwar körperlich,
seelisch und spirituell - in einer intakten Familie und sozialen Gemeinschaft,
wo der Gemeinsinn einen höheren Wert besitzt als der moderne Egoismus
und wo die Geborgenheit und die wechselseitige Hilfe in der Gemeinschaft
den Psychotherapeuten weitgehend überflüssig machen.