Hinweis der Angstambulanz am Zürichsee SM Rapperswil - Schwyz - St. Gallen - Zürich zum nachfolgenden Text:
Der verbissene Stellungskampf der Vertreter der nicht oder kaum wirksamen Therapieschulen in der Psychotherapie tobte auch zehn Jahre später unvermindert, nachdem Klaus Grawe mit seinen Kollegen an der Universität Bern und dem im Jahr 1994 veröffentlichten Standardwerk der Psychotherapie-Wirkungsforschung mit dem Titel "Psychotherapie im Wandel - Von der Konfession zur Profession" ↗ wissenschaftlich nachgewiesen hatte, dass die mit Abstand wirksamste Form der Psychotherapie die kognitive Verhaltenstherapie ist.
Im Jahr 2004 thematisierte der Wissenschaftsautor und Tagesspiegel-Redakteur Bas Kast diesen andauernden "Bürgerkrieg" im Methoden- und Schulenstreit der Psychotherapie, dessen grösste Gruppen ärztliche und psychologische Psychotherapeuten bzw. Psychoanalytiker und Verhaltenstherapeuten sind. Die Zeitung berichtete über den planmässigen Ausstieg der zu dieser Zeit vom Psychotherapeuten und Verhaltenstherapeuten geleiteten Angstambulanz am Institut für kognitive Verhaltenstherapie, Psychotherapie und Coaching in Stuttgart aus dem kranken öffentlichen Gesundheits–"System mit den mafiösen Strukturen".
Nur ausserhalb des kranken Gesundheitssystems war und ist es möglich, den Angstkranken, Panikern und Phobikern die bestmögliche und kürzestmögliche kognitive Verhaltenstherapie für ihre Angststörungen, Panikstörung und Phobien zu bieten.
Der Bericht wurde mit dem Titel "Gesundheit: 'Der Graben ist größer denn je'" in der in der Berliner Tageszeitung "Der Tagesspiegel", Rubrik Gesundheit, am 20.08.2004 veröffentlicht.
Der Tagesspiegel, 20.08.2004
Von Bas Kast
Das Wort "Bürgerkrieg" trifft die Situation vielleicht
am besten, sagt . Einst hatte der Diplom-Psychologe
als Kassentherapeut begonnen. Die Behandlung der Patienten wurde also
von der Kasse bezahlt. Mehr und mehr empfand der Mann "das System
mit den mafiösen Strukturen" als Zumutung. Deshalb stieg er aus.
Heute leitet ein eigenes Institut für Coaching und Psychotherapie
(www.angstambulanz.de)
in Stuttgart. Seine Maxime ist: effiziente Behandlungen, begrenzt auf
durchschnittlich zehn Stunden — statt jahrelanger Therapien, "in
denen die Therapeuten ihre Klienten ausbeuten". Die Behandlung
bringe nichts, außer den Status quo des Therapeuten zu sichern.
Die Auseinandersetzung, von der spricht, findet in jener
Berufsgruppe statt, von der man etwas anderes als Streit um Berufspfründen
erwarten würde. Denn gerade Psychotherapeuten sollten in der Lage sein,
menschliche Probleme mit Intelligenz zu lösen. Doch "der Graben
ist größer denn je", sagte der Psychologe Drew Westen (Emory-Universität,
Atlanta) jetzt auf dem Treffen der amerikanischen Gesellschaft für Psychologie. "Nie
waren gegenseitige Bitterkeit und Abscheu so groß."
Immer
heftiger werde der Kampf geführt, berichtet nun auch die "New York
Times". Dabei geht es darum, welche Richtung junge Therapeuten
einschlagen und was Kassen noch bezahlen werden. Am Ende, so die Zeitung
am 10. August, stehe das Schicksal der klassischen Psychotherapie auf
dem Spiel.
Im Kern dreht sich der Streit um die alte Frage: Wie
wissenschaftlich muss Seelenhilfe sein? Soll der Therapeut möglichst
individuell vorgehen, seiner Intuition folgend? Oder soll er nach einem
wissenschaftlich überprüfbaren Standardverfahren arbeiten?
Die
einen sagen: Viele psychische Probleme sind zu komplex, als dass sie
sich mit Standardverfahren in den Griff bekommen ließen. Mag ja sein,
dass sich eine Spinnenphobie mit Hilfe einfacher, festgelegter Schritte
heilen lässt. Aber was ist mit schweren Depressionen, deren Ursache
auf ein Trauma in ferner Vergangenheit zurückzuführen ist?
Andere
halten dagegen: Wer so argumentiert, unterscheide sich nicht von einem
Geistheiler. "Wenn ein Pharmakonzern ein neues Medikament entwickelt,
muss er beweisen, dass es wirkt und sicher ist", sagt der Psychologe
Rolf Degen, Autor eines "Lexikons der Psycho-Irrtümer". "Warum
sollte diese Qualitätsforderung für die Psychotherapie eine Ausnahme
machen?"
Kritisiert wird nicht zuletzt das Gutachterverfahren,
das die Krankenkassen bereits 1967 etabliert haben, um die Wirksamkeit
einer bestimmten Therapie beurteilen zu können. "Wie ein Gott verlängern
Psychotherapeuten beispielsweise die Behandlung, wenn sie das für nötig
halten", kritisiert . So könnten sich Therapien endlos
hinziehen, ohne dass Wirkungen überprüft werden.
"Wir bewerten
das Gutachterverfahren als die derzeit beste Vorgehensweise", sagt
dagegen Gisela Borgmann, Präsidentin der Berliner Psychotherapeutenkammer. "Es
wäre allerdings eine sinnvolle Ergänzung, auch die Seite des Patienten
zu berücksichtigen."
Auf Letzteres pocht Psychotherapeut
: "Der Patient müsste vor Therapiebeginn und weiter alle
fünf Sitzungen einen Fragebogen ausfüllen, in dem er seine Befindlichkeit
beschreibt." Die Informationen müssten direkt an die Krankenkasse
geschickt werden, damit diese auf Grund der Daten entscheiden könne,
für welche Therapie sich die Kostenerstattung lohnt und für welche nicht.
Die Techniker Krankenkasse hat nun ein Modellprojekt ins Auge gefasst.
An 600 Therapeuten und 3000 Patienten soll erstmals eine Qualitätssicherung
erprobt werden. Tests sollen helfen, den Fortschritt der Behandlung
zu beurteilen. Der Starttermin soll Ende 2004 sein.
Derzeit
übernehmen die Kassen in Deutschland nur die Kosten für Psychoanalyse
und Verhaltenstherapie — ein Umstand, der Therapeuten anderer
Couleur zur Weißglut bringt. Denn die Wirksamkeit beider Therapieansätze
ist nicht wissenschaftlich stichhaltig erwiesen.
Vielleicht entscheidet
am Ende gar nicht die Therapierichtung über den Behandlungserfolg, sondern
eher die Kompetenz des einzelnen Therapeuten. Zu diesem Schluss kommt
zumindest der Psychologe Bruce Wampold (Universität von Wisconsin, Madison),
nachdem er die Daten von 12000 Patienten analysiert hatte. Die meisten
litten an Depressionen. Sie waren mit unterschiedlichen Therapien behandelt
worden.
Wie sich zeigte, gab es quer durch die diversen Schulen
Therapeuten, die ihren Patienten helfen konnten, während dies anderen
nicht gelang. "Entscheidend ist nicht die Richtung der Behandlung,
sondern wie kompetent derjenige ist, der behandelt", lautet Wampolds
Fazit. Doch auch den "perfekten Therapeuten" an sich gibt
es nicht. Sein Erfolg hängt davon ab, inwieweit sein Gegenüber, der
Patient, bereit ist, mit ihm zu arbeiten.